Die rote Farbe des Schnees
Wasser auf mein Mühlrad.“ Sie wiegt den Kopf. „Ich wagte
bisher nur vor Timothy, solche Gedanken zu äußern. Gut zu wissen, dass ich mit
meiner Meinung nicht allein stehe.“
Sie lächeln nachdenklich.
Offensichtlich haben sie doch einige Gemeinsamkeiten. Joan spürt Awins Hand an
ihrem Arm und blickt sie daraufhin fragend an.
„Rede mit ihm“, meint diese
warmherzig.
Joan nickt. „Ich weiß. Doch es
fällt mir nicht leicht, mich zu überwinden. Seine Schmähungen waren sehr
verletzend.“
Awin lächelt. „Männer sind nun
einmal so, wenn sie sich in ihrem Ego gekränkt fühlen. Er wird reuevoll zu
deinen Füßen knien, nachdem du dich ihm erklärt hast.“
Joan atmet
hoffnungsvoll durch. „Mir würde schon genügen, ihn einfach zurück zu haben.“
Es ist
Palmsonntag. Joan sitzt neben Julian auf dem Bett und flößt dem Kleinen von dem
kräftigenden Trunk nach Patricks Rezeptur ein. Sie gab viel Honig hinein,
aufgrund dessen der Kleine nicht abgeneigt ist. Leander an ihrer Seite
quengelt, da er ebenfalls etwas von dem Trunk abhaben möchte. Trotz dem schätzt
Joan die Anwesenheit ihres Ziehsohnes. Denn es stellte sich heraus, dass er
eine beruhigende Wirkung auf Julian hat, ihn etwas von Joans Zugegensein
ablenkt.
„Er erscheint mir bereits nicht
mehr ganz so schwach“, bemerkt Amál.
Joan nickt zustimmend, während
sie ihn versonnen betrachtet. Man sieht ihn nur noch selten in der Halle. Er
weicht seinem Sohn meist nicht von der Seite. Julian hat sich indes so sehr an
ihn gewöhnt, dass er weint, wenn sein Vater geht. Gerade streckt er die Ärmchen
nach ihm aus, woraufhin sich Amál neben ihm aufs Bett fläzt, um nahe bei ihm zu
sein.
„Wenn man euch beide so
betrachtet könnte man meinen, ihr wäret schon immer in solch innigem
Einvernehmen“, bemerkt sie lächelnd.
Amál nickt bedächtig. „Du
hattest Recht. Als ich ihn erst einmal im Arm hatte, vermochte ich mich ihm
nicht mehr zu entziehen. Er ist so klein und wehrlos ... und dennoch so stark.“
„Du bist genau das, was er
braucht.“
Amál streicht Julian zärtlich
über das liebliche Gesicht. „Und ich brauche ihn. Er ist mir ein Trost.“
„Du solltest dir einmal etwas
Ruhe gönnen. Du hast Federn gelassen“, gibt ihm Joan zu bedenken und nimmt
Leander auf dessen Drängen hin auf ihren Schoß.
Amál zuckt die Schultern. „Es
berührt mich eben. ... Was glaubst du: wird er wieder genesen?“
Seufzend betrachtet sie das
ausgemergelte, bleichgelbe Kindergesicht. Die blauen Augen erscheinen übergroß
und beäugen sie misstrauisch. „Ich kann nicht sagen, was genau ihm so zusetzt.
Muriel fiel auf, dass er, trotz dem er sehr müde ist, weniger schläft. Er ist
teilnahmsloser. Ihn plagt Bauchweh, es sind kaum noch Geräusche seiner Gedärme
zu vernehmen. Sein Erbrochenes ist weißlich gefärbt. Seine Haut kommt mir blass
und gelblich vor, der Urin ist bräunlich. Wenn er morgen noch immer keinen Kot
in den Windeln hat, muss ich mit entsprechenden Kräutern nachhelfen.“
Ihre Worte können seine
Besorgnis nicht schmälern. „Gott, wenn er auch noch geht, verliere ich den
Verstand“, murmelt er, wobei er die Stirn gegen Julians Köpfchen legt.
Er dauert Joan zutiefst. Nie
zuvor war sie derart ratlos. Verstohlen mustert sie die beiden, welche nun
endlich tiefes Vertrauen zueinander gefasst haben. Sie verbindet eine innige
Liebe. Sollte alles umsonst gewesen sein? Joan schließt die Augen und sammelt
sich, erinnert sich des Gefühls, als sie mit dem zweiten Blick sah. Als sie die
beiden wieder erblickt, ist sie erstaunt. Ein heller Arm aus Licht zweigt von
Julians Kopf zu seinem Vater ab, der ihm von seiner Kraft gibt. Schmerzlich
fühlt sie sich an Ulman erinnert, als dieser in seinem Todeskampf auf die
gleiche Weise von ihrer Kraft nahm.
„Joan, wir müssen endlich
reden. Der Moment ist günstig“, murmelt Amál sich räuspernd. Zu seinem
vernehmlichen Seufzen betritt jedoch jemand das Gemach. Es ist Muriel, die
seinen Plan durchkreuzt. Auf einem Tablett balanciert diese einen Krug und
einen kleinen Becher zur Truhe neben dem Bett und stellt alles darauf ab.
Vorsichtig schenkt sie Julian aus dem Krug ein und setzt ihm den Becher dann
fürsorglich an die Lippen. Der Kleine trinkt gefügig, der helle Lichtarm ist
verschwunden. Plötzlich wechselt sein gelbliches Licht in ein purpurnes,
welches hoch aufflammt.
Joan fährt erschrocken
zusammen. Zu ihrer Überraschung auch Leander auf ihren Knien. Der Kleine starrt
mit vor
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