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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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ohnmächtig die Arme hebt. Mutlos
sinkt sie daraufhin neben ihrem Korb auf die Knie, das Gesicht hinter den
Händen verborgen.
    „Das alles
kann unmöglich wahr sein!“ Amál hat ihr den Rücken zugekehrt und blickt hinab
auf den im Mondlicht liegenden See.
    „Warum hast du es ihm erzählt?
Der Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger gewählt sein können“, fragt sie matt mit
halb erstickter Stimme, worauf er sich ihr niedergeschlagen zuwendet.
    „Er hat mich direkt danach
gefragt, Joan. Um abschätzen zu können, was zwischen Ulman und dir geschehen
sein könnte. ... Sollte ich ihn belügen?“
    Joan ist zu keiner Antwort
fähig. Sie kauert teilnahmslos an die Rundung der Wehrturmmauer gelehnt und
starrt vor sich hin.
    Amál kniet sich daraufhin
mitleidig neben sie und seufzt bei ihrem jämmerlichen Anblick schwermütig. „Ich
versuchte, es dir in den vergangenen Tagen zu beichten, doch ergab sich nie
eine Gelegenheit dazu. Ich beteuerte ihm deine Unschuld in dieser ... Angelegenheit,
glaube mir. Nur allzu gerne hätte ich ihm dasselbe auch in Bezug auf Ulman
erklärt, doch du hast es mir ja wer weiß wie oft verboten.“
    „Er wird mir niemals glauben,
dass ich ihm mit Ulman treu war. Es ist aussichtslos“, schnieft sie, kaum noch
eines anderen Gedankens fähig.
    Mit einer sanft auf ihre
Schulter gelegten Hand blickt Amál sie eindringlich an. „Du musst es ihm bei
etwas schwören, das dir heilig ist. Wenn du ihn nicht zu überzeugen vermagst
...“, ihre Schluchzer lassen ihn sorgenvoll verstummen. Mitfühlend streicht er
ihr übers Haar. „Joan. Für den Fall, dass es wider deiner Vorstellung endet: du
sollst wissen, dass du hier allezeit willkommen bist.“ Aufgewühlt fährt er sich
durch die blauschwarzen, mittlerweile lockigen Haare und atmet hörbar aus.
    Sie nickt mit einem verlorenen
Lächeln. „Ich danke dir. Doch wenn es so eintrifft, wie er es nun geplant hat,
liegt mir nichts mehr am Leben. Wie kann ich ohne meine Kinder, ohne IHN sein?“
    Seine schreckgeweiteten Augen
lassen ihre Miene in Verbitterung erstarren. Mutlos blickt sie an ihm vorbei in
einen schwer verhangenen, silbrig grauen Himmel.
    „Das darfst du nicht, Joan“,
haucht er mit belegter Stimme, was sie ohnmächtig die Augen schließen lässt.
    „Es ist mir gleich. Selbst,
wenn meine Seele dafür auf ewig in der Hölle schmort.“
    Sie spürt seinen Atem auf ihrem
Gesicht und schlägt matt die Lider auf.
    Mit todunglücklicher Miene
nimmt er ihr Gesicht in beide Hände, wischt ihr mit den Daumen die Tränen von
den Wangen.
    „Das darfst du nicht, verstanden!“
Noch ehe sie etwas erwidern kann, küsst er sie auf den Mund. Erschrocken reißt
sie die Augen ganz auf, lehnt sich zur Seite, um sich ihm zu entziehen, ihm
forschend ins Gesicht zu blicken. Als er ihrem Blick betretener Miene
ausweicht, versetzt sie ihm eine schallende Ohrfeige.
    „Wie kannst du es wagen! Nach
all dem“, ruft sie schrill, um sich gleich darauf fuchtig zu erheben. Ohne ihn
eines weiteren Blickes zu würdigen, eilt sie vom Turm.
    Auf dem Weg zu ihrem Gemach
trifft sie auf Awin.
    „Joan, dem Herrn sei Dank. Ich
suchte dich ...“ Sie bricht ab, da sie Joans Tränen gewahrt. Als sich dann auch
noch ihr Sohn mit unbewegter Miene und ohne ein Wort des Grusses an ihnen
vorbei drängt, hebt sie in der ihr eigenen Art eine Braue, um ihr Missfallen
zum Ausdruck zu bringen.
    „Du suchtest mich“, hakt Joan
unangenehm berührt nach, woraufhin sich ihr Awin räuspernd wieder zuwendet.
    „Ich wollte dir mitteilen, dass
ich im Besitz von Theriak bin“, fährt diese fort. „Es ist kein Gebräu von
irgendeinem Quacksalber, sondern von bester venezianischer Güte“, erklärt sie
eilends auf Joans stutzige Miene hin. „Glaubst du, es könnte Julian helfen?“
    Joans Augen haben sich
überrascht geweitet. „Himmelsarznei!“ Ihre Gedanken sind nun ganz bei Awin. „Es
ist das Beste, was wir ihm gegen diese Vergiftung angedeihen lassen können“,
ruft sie erleichtert. „Zwar benutzt man Theriak gegen alle möglichen Gebrechen,
doch wurde es ursprünglich vor allem als universelles Gegengift erdacht.“
    Awin lächelt geheimnisvoll.
„Das musst du mir nicht erklären. Diese komplizierte Zubereitung stammt aus
meiner Heimat, bevor sie den Weg in euer barbarisches Land fand.“
    Joan erwidert ihr Lächeln. „Ihr
habt sie von den Griechen“, erinnert sie nachsichtig, woraufhin ihr Awin
verschmitzt zublinzelt. Was die Heilkunst betrifft, macht Joan niemand

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