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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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gegen diesen Grobian zu ziehen.
    „Das freche Maul hast du von
deinem Vater. Wie ihm wird es dir noch vergehen, Freundchen“, entgegnet er mit
gehässigem Lächeln. Während er sich verstohlen umblickt, setzt er sich mit ihr
in Bewegung. Dabei zerrt er sie kraftvoll hinter sich her, da sie sich
sträubend aufbäumt. Sie tritt nach ihm und versucht, sich schreiend
loszustrampeln. Den Dolch an ihrem Gürtel kann sie nicht mehr erreichen, da ihr
die Arme durch die straffgezogene Tunika nach oben gezerrt werden. Kurzerhand
packt er sie an den Armen, um sie ihr schmerzhaft auf den Rücken zu drehen.
    „Percy! Lass meinen Knappen
los!“
    Nie zuvor empfand sie mehr
Freude beim Klang von Malcoms rauer Stimme. Ihr Peiniger dreht sich mit ihr zu
ihm herum. Malcom hat sich breitbeinig vor ihnen aufgebaut. Sein hasserfüllter
Blick lässt gar Joan das Blut in den Adern gefrieren, obwohl er nicht ihr gilt.
Plötzlich spürt sie die kalte Klinge eines Messers an der Kehle.
    „Verschwinde, Farwick. ... Du
wirst verstehen, dass ich ihn nicht am Leben lassen kann.“
    Malcom zieht alarmiert das
Schwert. „Warum? Er kann dir doch nicht mehr gefährlich werden.“
    „Ich gehe lieber den sicheren
Weg. ... Das solltest du doch mittlerweile begriffen haben.“
    „Du wirst ihn schwerlich vor
aller Augen töten“, antwortet Malcom gelassen und kommt näher. Doch seine Augen
weiten sich entsetzt. Im selben Moment spürt Joan weitere Hände und es wird
dunkel um sie herum.
    Sie kommt zu sich, als man sie
unter einen muskulösen Arm geklemmt auf ein Zelt zu trägt. Ihr brummt der
Schädel, doch sie wagt keine Bewegung, stellt sich bewusstlos. Man hievt sie
ins Zelt und wirft sie achtlos zu Boden. Sie blinzelt. Ein breitschultriger
Mann steht ihr leichtfertig mit dem Rücken zugekehrt im Eingang des Zeltes und
späht angespannt durch den Zeltschlitz hinaus. Ein flüchtiger Blick verrät ihr,
dass sie nicht der einzige Gefangene ist. In einem hinteren Winkel liegt ein zu
einem unbeweglichen Bündel verschnürter und geknebelter junger Bursche, der sie
mit aufgerissenen Augen anstarrt. Ansonsten gähnt das Zelt vor Leere. Sie
zögert keinen weiteren Augenblick, zieht im Aufspringen den Dolch und rammt ihn
dem Breitschultrigen bis zum Anschlag unters linke Schulterblatt. Bevor er nach
vorn fallen kann, hat sie ihn am Wappenrock vom Eingang weggezerrt. Der Mann
bricht lautlos zu ihren Füßen zusammen und ist auf der Stelle tot. Joan blickt
ihm aufgewühlt ins noch überraschte Gesicht. Sie wird es ein Leben lang nicht
vergessen. Er ist der erste Mensch, den sie tötete. Es war der ärgste und
letzte Fehler seines Lebens, sich durch ihr harmloses Äußeres verleiten zu
lassen. Doch sie kann kein Mitgefühl für ihn empfinden. Denn schließlich wollte
er sie töten.
    Ein ersticktes Keuchen lässt
sie aufblicken. Schwerfällig bemüht sie sich zu dem Burschen hinüber, um ihm
die Fesseln durchzuschneiden. Er blickt sie scheu aus hellblauen Augen an. Sein
flammend rotes, dichtgelocktes Haar klebt ihm verschwitzt an der Stirn.
„Danke“, raunt er, nachdem er den Knebel weggespuckt hat und reibt sich über
die wunden Handgelenke. Er mag an die zwölf Lenze zählen.
    „Verschwinde eiligst“, rät ihm
Joan. „Und verbirg dein leuchtendes Haar.“
    Nickend zieht er sich die
Kapuze seiner Gugel über den Kopf, während er sich strauchelnd erhebt. Dann
eilt er zum Toten, entwendet diesem den Dolch und schneidet sich kurzerhand
einen Fluchtweg in eine der hinteren Zeltbahnen. Zum Abschied nickt er ihr noch
einmal flüchtig zu. „Darf ich noch deinen Namen erfahren“, fragt er erstaunlich
geistesgegenwärtig.
    „Jack“, brummt Joan ungeduldig
und drängt ihn zum Schlitz.
    „Und weiter“, hakt er jedoch
unbeirrt nach.
    „Nur noch Jack“, erwidert sie
mit rollenden Augen, bevor sie ihn aus dem aufgeschlitzten Zelt ins Freie
treibt.
    „Aidan Blesterville“, wird sie
von ihm empfangen. „Ich stehe in deiner Schuld ...“
    „Nun gib’ endlich Fersengeld“,
würgt sie ihn ab. „Oder gelüstet es dich so sehr nach der erneuten Gesellschaft
deiner Peiniger?“
    Mit einem Lausbengellächeln
schüttelt er den Kopf. „Gott sei mit dir“, flüstert er noch, ehe er auch schon
hinter dem nächsten Zelt verschwunden ist.
    „Und mit dir“, raunt Joan,
wobei sie sich abduckt und in entgegengesetzter Richtung vom Zelt weghastet.
Als der Abstand zu diesem groß genug ist, richtet sie sich zwischen den Zelten
auf und orientiert sich kurz. Ein

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