Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
geschlagen. Es erfordert zwar einiges an
Geschick, doch wenn man den Dreh einmal heraus hat, kommt man gar trockener
Finger davon. Und Joans diesbezügliches Geschick ist einmalig. Sie hatte es aus
unbändigem Ärger über ihre eindeutige Benachteiligung, sich wie ihre Brüder
nicht unaufwändig im Stehen erleichtern zu können, bis zur Perfektion gebracht.
Auch wenn es ihr nicht zur täglichen Gewohnheit geworden ist.
    Auf dem
Rückweg zu ihren Zelten sieht sie sich dazu genötigt, Phil des Öfteren derb in
die Seite zu stoßen. Er ist bis zum Zerreißen gespannt, kann sich mit Tränen in
den Augen nur mühsam eines Lachanfalls erwehren. Auf sein unablässiges
Gegluckse hin wendet sich Nigel immer wieder misstrauisch zu ihnen um.
    Es ist
Samstagabend, der 22. Juni, als sie nach etwa vier Marschtagen endlich Falkirk
erreichen. In Edinburgh hatte man ihnen eine kurze Rast eingeräumt. Und diese
war wahrhaft nötig gewesen. Zwanzig anstrengende Meilen hatten sie allein am
heutigen Tage zurückgelegt und es trennen sie weitere vierzehn von ihrem
Zielort, Stirling Castle nordwestlich von ihnen. Morgen will sich das Heer dorthin
begeben, um die von den Schotten belagerte Festung zu befreien. Diese ist von
außergewöhnlich strategischer Bedeutung. Es geht um nichts Geringeres als die
Kontrolle Mittelschottlands, dem eigentlichen Herzen des Landes mit der
höchsten Konzentration an Bevölkerung und Reichtum. Somit will man die
aufrührerischen Schotten endlich in ihre Schranken weisen, The Bruce ein für
allemal das Handwerk legen.
    Joan wird im Troß
zurückbleiben. Desgleichen die restlichen jüngeren Knappen von Malcoms Rittern.
Doch bis dahin bleibt noch Zeit, die es zu nutzen gilt. Müde poliert sie
Malcoms Rüstung. Die Männer überprüfen den Zustand ihrer eisenbewehrten Lanzen,
der Streitäxte, Keulen, Schilde und Schwerter. Die Stimmung ist ausgelassen.
Joan hat den Eindruck, als könnten sie es kaum erwarten, endlich gegen die
Schotten loszuschlagen.
    Malcom taucht unvermutet neben
ihr auf und späht mit hörbar knurrendem Magen in den dampfenden Kochkessel über
dem Feuer. Insgeheim fragte sie sich bereits, wo er seit ihrer Ankunft steckte.
Er verschwand ohne ein Wort. Doch würde sie nicht im Traum wagen, ihn danach zu
fragen. Falls es sie etwas anginge, würde er sie einweihen. Er ist kein Mann
von großen Worten. In sein Tun legt sie bedenkenlos ihr ganzes Vertrauen. Denn
sein Handeln hatte bisher stets Hand und Fuß.
    „Bonsoir,
Monsieur Farwick.“
    Sie blicken auf und Joan stockt
der Atem. Eine wunderschöne Adlige betrachtet Malcom triumphierend aus großen,
verträumt blauen Augen. Ihr Haar ist mit schmuckvollen Haarnadeln zu einer
komplizierten Frisur aufgesteckt und weist einen schwarzen, seidigen Glanz auf.
Am meisten fasziniert ihr raffiniert verspieltes hellblaues Seidenkleid,
welches, mit kostbaren Perlen bestickt, um die Taille eng geschnürt ist und
einen überraschend großzügigen Blick auf das schöne Dekolleté freigibt. Um den
lilienweißen Hals trägt sie dezentes Geschmeide, welches zur Machart der
juwelenbesetzten Ohrringe passt. Ein kleiner, weißer Hund sitzt ihr auf dem Arm
und lässt sich von ihr kraulen. Ihr Lächeln entblößt zwei Reihen tadelloser,
weißschimmernder Zähne. Es ist, als hätte sich ein schöner Schmetterling zu
ihnen verirrt.
    Malcom hat sich gerade
aufgerichtet. Er scheint nicht erstaunt, tritt vor sie und ergreift gelassen
ihre behandschuhte Hand, um ihr einen überraschend galanten Kuss darauf zu
geben. Als ein unbeschwertes Lächeln seine Lippen umspielt, krampft sich Joan
das Herz vor Eifersucht zusammen. Er kommt ihr mit einem Male wie verwandelt
vor, ist plötzlich ganz zuvorkommender Gentleman, wie es sein Eid und ritterlicher
Anstand verlangen. Eine achtungsvolle Behandlung, welche einer solch vornehmen
Frau gebührt. Ihre Augen weiten sich überrascht, als er etwas in fließendem
Französisch erwidert. Die Schöne schenkt ihm daraufhin ein fröhliches Lachen.
Zwischen den beiden entspannt sich eine muntere Plauderei, deren Inhalt Joan
aufgrund ihrer miserablen Französischkenntnisse verborgen bleibt. Malcom
scheint, einem solch mühelosen Französisch nach zu urteilen, lange Zeit bei
Hofe verbracht zu haben. Plötzlich verflucht sie es, den früheren drängenden
Versuchen ihres Vaters, sie etwas vom Französisch ihrer Vorfahren zu lehren,
stets so bedenkenlos abschlägig begegnet zu sein. Wütend bläst sie sich eine
Strähne aus dem verschwitzten

Weitere Kostenlose Bücher