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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Joan glaubt plötzlich, eine Lücke in
den Reihen der feindlichen Pikeniere zu erkennen, in welche die Reiter
einzudringen versuchen, um sie zu erweitern. Am Raunen der Männer um sich herum
bemerkt sie, dass dem wohl eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommt. Aller
Gesichter sind hoffnungsvoll gen Norden gerichtet. Wenn die Männer es vermögen,
die feindlichen Reihen zu durchdringen, könnten sie diesen in den Rücken
fallen, den Feind mit Hilfe des restlichen Heeres in die Zwinge nehmen oder den
Weg nach Stirling Castle einschlagen, um die Burg zu entsetzen.
    „Was machen die Schotten mit
denen, die sie in ihre Reihen zerrten“, will Joan wissen.
    „Lösegeld“, erwidert Malcom
zerstreut, ohne den Blick vom Schlachtfeld abzuwenden. „Sie wissen genau, bei
wem es sich lohnt.“
    „Malcom!“ Phil kommt ihnen
entgegen. Er starrt Joan entsetzt an. Sie bemerkt erstaunt, dass er seine
versilberten Sporen gegen vergoldete, das Kurzschwert gegen ein Langschwert
getauscht hat. Der König muss ihn vor der Schlacht zum Ritter geschlagen haben.
Eine nicht unübliche Handlung, welche dann meist an scharenweis vor dem Heer
niederknienden Knappen, die zuvor von ihren Dienstherren als reif befunden
wurden, durchgeführt wird und diese mit einem Schlag in den Ritterstand
befördert. Es bringt neue, aufs Äußerste motivierte Kämpfer ins Spiel.
    Phil zügelt neben ihnen sein
Pferd. „Der Kommandant der Festung, ... Mowbray, hat es nach den Verhandlungen
mit Edward noch zurück nach Stirling Castle geschafft, bevor die Schotten
endlich begriffen, dass wir versuchten, sie an zwei Fronten in die Zange zu
nehmen. Er wird sich neutral verhalten und Flüchtigen keinen Einlass in die Burg
gewähren.“
    Malcom nickt. „Das war von
vornherein so vereinbart.“ Aufmunternd schlägt er ihm gegen die Schulter. „Die
Schlacht ist noch nicht verloren, Phil.“
    Dieser jedoch schüttelt
zweifelnd den Kopf. „Edward ist kein Soldat, geschweige denn ein Führer.“ Er
wird lauter. „Seine Zögerlichkeit, aus dem Argen heraus Entscheidungen zu
treffen, verunsichert die Männer bereits. Er ist mit der Situation hoffnungslos
überfordert“, macht er sich Luft. Auf Malcoms abweisende Miene hin schnippst er
nach den richtigen Worten suchend mit den Fingern. „Mowbray riet Edward,
abzuwarten. Er meinte, der Ehre wäre Genüge getan, da es Edward bewerkstelligt
hatte, zum vereinbarten Zeitpunkt mit dem Heer hier einzutreffen. Scheinbar
hattet ihr keinen Schimmer von seinen Worten. Edward hat nichts davon
weiterleiten lassen. Hier weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.“
    Malcom hängt sich seinen Schild
auf den Rücken. „Mowbray in allen Ehren, doch er ist nur ein kleines Licht. Die
Schlacht ist unvermeidlich. Beide Seiten wollen sie, um endlich eine
Entscheidung herbeizuführen in diesem gottverdammten, endlosen Krieg.“ Auf
Phils ungehaltene Miene hin nickt er bedächtig. „Du bist nicht zu Unrecht
beunruhigt“, lenkt er zu Joans Überraschung ein. „Deine Abneigung gegen den
König ist zugegebenermaßen nicht unbegründet. Doch es bringt niemanden weiter.
Sieh dich um. Der Kampfeswille der Männer sinkt auch ohne solch aufrührerische
Worte zusehends. Sie glauben noch, hier für ihren König zu kämpfen. Also nimm
ihnen nicht den letzten Funken Hoffnung, der ihnen noch zum Antrieb gereicht.
Er ist nun mal leider Gottes unser König. Jedermann hat ihm bedenkenlos in der
Schlacht zu gehorchen. Und noch ist nichts entschieden. Lediglich ein Bruchteil
des Heeres war bisher in den Kampf verwickelt. Mag sein, dass seine Taktik doch
noch aufgeht, wenn Clifford die Oberhand gewinnt.“
    „Ich bin doch nicht der
Einzige, der solch drückende Gedanken hat“, wendet Phil aufbrausend ein, um
gleich darauf ohnmächtig die Luft auszublasen und den Kopf hängen zu lassen.
„Clifford ist kurz davor, den Rückzug zu befehlen, Malcom. Was ihr dort seht,
ist das gräuliche Abschlachten seiner verbliebenen Reiterei. ... Ich weiß,
wovon ich rede. Mir war das zweifelhafte Glück vergönnt, in Hörweite des Boten
zu stehen, der Edward vor wenigen Augenblicken diese schlechte Kunde brachte.“
    Seinen Worten folgt bestürztes
Schweigen. Phil schüttelt niedergeschmettert den Kopf. „Für einen Moment sah es
wirklich danach aus, als würde er ihre Reihen durchbrechen können.“ Ein Seufzen
entringt sich seiner Kehle. „Wenigstens hat er eine geeignete Route entdeckt,
auf welcher das Heer die Festung erreichen kann.“ Dann strafft sich

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