Die rote Farbe des Schnees
Sein Rossharnisch auf Kopf, Hals und Brust
ist von Blut und Dreck verkrustet. Der lanzenbewehrte Reiter obenauf sieht
nicht viel anders aus. Das Wappen auf seinem Rock ist unkenntlich verschmiert.
Erst, als er das Visier hochklappt, erkennt Joan überrascht am tiefen Blau
seiner Augen, dass es Malcom ist und stößt einen freudigen Schrei aus. Doch
seine resignierte Miene lässt sie verstummen. Einträchtig reiten sie schweigend
nebeneinander her, biegen von der Straße ab. Gerold nickt ihm zu. „Ein
verfluchter Tag“, ruft er laut zu ihm herüber. „Zerbrich dir nicht den Kopf,
Mal. Henry de Bohun war eben ein junger, hitzköpfiger Draufgänger. ... Seinen
kleinen Ausfall gegen The Bruce hat er teuer bezahlt.“
Malcom stößt verächtlich die
Luft zwischen den Zähnen hervor. „Kleiner Ausfall! Es ist nicht mit seinem
jugendlichen Ungestüm zu entschuldigen, dass er alles zunichte machte. Ich war
fast nahe genug an The Bruce heran, als er auf ihn losstürmte. Nur wenig später
hätte ich ihn gehabt.“ Ohnmächtig schüttelt er den Kopf. „The Bruce war bis auf
seine Axt unbewaffnet und obendrein weit von seinen Männern abgeschlagen. ...
Ich hätte ihn auf seinem Pony ungestraft einfach umreiten können.“
Gerold nickt zustimmend und
spuckt aus. „Bin gespannt, was uns Edwards undisziplinierte junge Ritterschar
noch so beschert.“
Joan dämmert die Tragweite
Malcoms Worte. Wäre er erfolgreich gegen The Bruce gewesen, dann wären die
Schotten ohne ihren kampferprobten König führungslos. Sie hätten womöglich
aufgegeben. Es muss schwer für ihn sein, mit dieser Last weiter zu machen. Sie
spürt seinen Blick und wendet sich ihm zu.
„Man hat dich verfolgt?“
Sie nickt zur Antwort.
„In der Tat ein verfluchter
Tag“, poltert er auffahrend.
Sie nähern sich ihrem Fußvolk,
welches geduldig oberhalb der Böschung seines noch ungewissen Schicksals harrt.
Malcom zügelt plötzlich Brix, während er gebannt gen Norden starrt. Joan folgt
seinem Blick, bemerkt noch, wie auch sie mit einem Male auf der Stelle
verbleiben. Östlich von New Park, doch noch oberhalb der Böschung zur
Schwemmebene, sind die zwei Reiterschwadrone in der Nähe einer kleinen Kirche
in ein heftiges Gefecht gegen einen weiteren Schiltron verwickelt. Offenbar war
man versucht, die Schotten an der Weggabelung von Römerstraße und dem von der
Tiefebene kommenden schmalen Pfad von Norden her in die Zange zu nehmen oder
die Römerstrasse nördlich der schottischen Stellungen zu erreichen, um nach
Stirling Castle zu gelangen. Es scheint eine ungestüme Schlacht zu sein, nach
der großen Staubwolke, die unter den Hufen der mächtigen Destrier aufgewirbelt
in der Luft hängt, und nach der wild durcheinander wogenden Masse menschlicher
und tierischer Leiber zu urteilen.
„Clifford, Gott sei mit dir“,
murmelt Gerold.
„Er ist der beste Stratege, den
wir haben. ... Wenn er es nicht schafft, dann niemand“, knurrt Malcom, während
er die Szene aufmerksam weiter verfolgt. „Sie handeln unvermutet diszipliniert,
marschieren im geschlossenen Verband. Das gab es bei ihnen bisher noch nie. Es
sind nicht die sonst ungeordneten Haufen“, äußert er beunruhigt, was Gerold
einstimmig nicken lässt.
„Sie müssen es trainiert haben.
Es gibt keine Lücken in ihren Reihen, die man angreifen könnte.“
„Wir brauchen Bogenschützen,
verdammt“, erwidert Malcom ungehalten.
„Keiner hätte für möglich
gehalten, dass uns die Schotten offen angreifen würden“, bemerkt Gerold.
Doch Malcom schüttelt vehement
den Kopf. „Sie wissen doch, worum es hier geht. Sie kämpfen mit ganzem Herzen
um ihre gottverdammte Freiheit!“
Fassungslos müssen sie zu
Untätigkeit verdammt mit ansehen, wie ihre verzweifelten Landsmänner, die
vergebens den ritterlichen Zweikampf mit dem Feind suchen, dem gegen sie vorrückenden
Schiltron hilflos ihre Lanzen, Schwerter und Keulen entgegenschleudern, ohne
dabei etwas zu bewirken. Ein Berg von Waffen häuft sich bereits innerhalb des
undurchdringlichen Meeres feindlicher Speere. Die gnadenlos gegen sie
gerichteten Piken fällen die stolzen Destrier wie eine Sense das Gras. Ihre
Reiter haben, einmal ihrer Pferde beraubt, dem Schiltron nichts mehr
entgegenzusetzen, erleiden wehrlos das Schicksal ihrer Schlachtrosse oder
werden zu Joans Verwunderung in den Schiltron hineingezogen. Es ist ein
ungleicher Kampf, der sich scheinbar endlos in die Länge zieht, die Männer
beider Seiten bis aufs Äußerste fordert.
Weitere Kostenlose Bücher