Die rote Farbe des Schnees
nachvollziehen. Für die schweren, eisenbewehrten Panzerreiter ist das
morastige Gelände ein Alptraum. Schwerlich wäre es ihnen möglich, den Bannock
Burn woanders als an einer seiner wenigen seichten Furten zu überqueren, ohne
zu riskieren, im sumpfigen Uferbereich zu versinken oder gar jämmerlich im Fluß
zu ersaufen. Ohne Zweifel wäre es klüger, weiter hangaufwärts östlich von New
Park zu nächtigen, um die Wasserversorgung des Heeres an dortigen kleinen
Bachläufen zu gewährleisten, anstatt sich in ein solch strategisch ungüstiges
Gelände zu begeben. Doch das Heer ist zu groß. Sie kämen dabei zu nahe an die
schottischen Aufstellungen heran. Die Furcht, der Feind könne sie des Nachts
angreifen, ist all gegenwärtig. Offenbar haben sie keine andere Wahl. Ihr kommt
der beunruhigende Gedanke, The Bruce könne das Schwemmland absichtlich
einladend frei gelassen haben.
Die Verbände folgen Edward
fluchend. Die Aussicht auf die bevorstehende Nacht im Sumpf trägt ihr Übriges
zur Entmutigung der ohnehin schon demoralisierten Reitertruppen bei. Denn
obschon nur verhältnismäßig wenige von ihnen in den Kampf verwickelt waren
zeigten die Auseinandersetzungen doch, dass sie sich in Bezug auf Waffen und
Strategie gegenüber dem einfach gerüsteten Feind im Nachteil befinden. Darüber
hinaus ist die Zahl der gefallenen Adligen, gemessen an den Verlusten in sonstigen
Gefechten, unverhältnismäßig hoch. Und die Schmach, gegen ordinäre Fußtruppen
unterlegen zu sein, ist überwältigend. Man ist gedemütigt und bis aufs Äußerste
beunruhigt, gar verwirrt. Die Moral der Männer ist am Boden. Die meisten von
ihnen möchten sich an einen stillen Platz verkriechen, um sich die Wunden zu
lecken. Den Fußtruppen ist es offenbar weniger wichtig, wo sie nächtigen. Viele
von ihnen hatten bisher noch nicht einmal Sichtkontakt zu den Schotten. Ihr
geht auf, dass sie, neben den aus Irland, Wales und Nordengland stammenden,
kampferprobten Bogenschützen und Speerträgern hauptsächlich aus freien Bauern
und Tagelöhnern bestehen, die womöglich einfach zu unerfahren im Kampf sind, um
zu erfassen, welch Falle hier unten neben der bloßen Unbequemlichkeit auf sie
lauern könnte. Überdies würden sie vermutlich weniger problematisch über die
Flussarme des Bannock Burn kommen, als die verbliebene, schwer gerüstete
Reiterei. Letzten Endes haben sie ihrem König jedoch bedingungslos zu folgen.
Doch soviel hat Joan bereits gelernt: der König trifft keine Entscheidung
selbst. Er überlässt es vielmehr seinen erfahrenen Treuen, die jedoch leider
allzu oft uneins mit sich sind. Schon längst hat auch sie begonnen, an den
Führungsqualitäten Edwards zu zweifeln. Genau genommen sind sie führungslos.
Das Wissen darum vermag die niedergedrückte Stimmung der Männer nicht
sonderlich zu heben.
Joan atmet
schwermütig durch und befühlt das sie schützende Amulett auf ihrer Brust.
„Bitte steh mir auch weiterhin bei.“
Joan hat sich
so nahe wie möglich zu Malcom gelegt. Seinen tiefen Atemzügen nach schläft er
fest. Dies können nicht viele von sich behaupten. Gerold neben ihm stöhnt. Sie
hatte ihm noch den Bruch in seinem Unterschenkel gerichtet und versuchte,
diesen so gut wie möglich an der Beinschiene zu fixieren. Doch wenn er ihn
morgen im Kampf belastet, werden sich die gebrochenen Knochenenden vermutlich
wieder verschieben.
Die Nacht ist nicht nur von
Gerolds Schmerzensstöhnen erfüllt. Sie liegen dicht zusammengedrängt inmitten
der bereits im Einsatz gewesenen, schwer mitgenommenen Reiterei. Zusammen mit
den übrigen Truppen der Panzerreiter bilden sie vor dem Heer der Fußsoldaten
eine Art lebenden Schutzschild, der dieses vor einem befürchteten Angriff der
Schotten bei Nacht absichern soll. Und vor einem solchen verspürt beinahe
jedermann eine lähmende Angst, welche eine schlaflose Nacht bereitet.
Bis in die etwa um Mitternacht
hereinbrechende Dunkelheit hatte man versucht, die unzähligen Tümpel und
kleinen Rinnsale mit Türen und Holzbalken des nahen Dorfes Bannockburn zu einem
etwas nördlich des Bannock Burn gelegenen, trockeneren Areal hin, das durch
festeren Untergrund zum Biwakieren taugt, zu überbrücken. Insbesondere, um die
eisenstrotzenden Reiter samt der schweren Schlachtrosse auf dem Weg dorthin
nicht im Morast versinken zu lassen. Dabei kam ihnen im Schutze der Dunkelheit
gar die Besatzung von Stirling Castle zu Hilfe, brachte zusätzliche Bohlen und
Türen herbei. Im Grunde weiß man
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