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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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nicht wirklich, wo genau man sich in der Ebene
befindet, tappte zuvor im Dunkeln blind umher und erwartet nun fieberhaft die
Morgendämmerung, um die Lage des Heeres auszumachen. Vor allem jedoch, um aus
dieser nassen, morastigen Hölle zu entkommen und die Schotten endlich zu einer
offenen Schlacht mit dem gesamten Heer zu zwingen. Vorausgesetzt natürlich,
dass die Schotten noch da sind.
    Schlammüberzogen hatten die
Männer ihre Waffen gereinigt, halten diese nun griffbereit und versuchen, in
voller Rüstung und der lauernden Gefahr eines Angriffes ihren wohlverdienten
Schlaf zu finden. Die Luft ist vom Geruch ihres Schweißes erfüllt, der sich mit
jenem verrottender Pflanzenteile des Sumpfes mischt. Die Feuchte des
Untergrundes saugt sich durch die ohnehin schon nasse Kleidung und lässt einen
selbst in dieser lauen, bedeckten Sommernacht bis auf die Knochen frieren. Die
Mücken plagen und Joan hat Hunger. Die Nacht verstreicht schleppend langsam.
Sie weiß nicht mehr, ob sie bisher in dieser überhaupt einmal zu Schlaf fand.
Das Gegröle Betrunkener schallt über den Bannock Burn zu ihnen herüber. Es
stammt von englischen Fußsoldaten. Denn nicht das gesamte Fußvolk setzte mit
der Reiterei über den Fluß. Einen nicht unbeträchtlichen Teil ließ man zurück.
Offenbar geht es diesen Glücklichen im Moment weitaus besser, als ihnen. Joan
richtet sich auf. Sie bemerkt Steven, der noch immer Guys blutbesudelten
Oberkörper auf dem Schoß hält. Seinen stossweise unterdrückten Schluchzern nach
hat der Tod seinen Freund endlich gnädig erlöst. Mit vor Trauer schwerem Herzen
legt sich Joan wieder zurück. Stevens Schluchzen hallt ihr eigentümlich im Kopf
nach. Schniefend wischt sie sich die Tränen vom Gesicht, vermag jedoch deren
Strom nicht aufzuhalten. Sie bemerkt, dass es ihr gut tut. Weinen erleichtert.
Auch wenn sie es schon so oft verflucht hat, dass sie die Tränen für gewöhnlich
nur allzu leicht überkommen. Und dies trotz Gwens tröstender Worte, die Tränen
des Mitgefühls, der Anteilnahme an Leid und Gebrechen anderer, wären ein
Geschenk Gottes und sprächen für eine Seele in der Nähe des Herrn. Sie würden
den Menschen wieder frei machen, hatte sie gesagt. Das kann Joan nur
bestätigen. Anders vermag sich ihr junges Herz im Augenblick nicht Luft zu
machen.
    Sie spürt eine schwere Hand
tröstend durch ihr Haar wuscheln und lehnt den Kopf an Malcoms eisenbewehrte
Brust. Offenbar hat ihn ihr Schniefen geweckt. Dann jedoch bemerkt sie seine
weiterhin ruhigen Atemzüge und stützt sich irritiert auf einem Unterarm hoch.
Es ist Phils Hand, wie sie nun bemerkt. Er liegt neben ihr auf der Seite und
betrachtet sie versonnen.
    „Lass dich trösten ... Jack“,
murmelt er, während er ihr über die feuchten Wangen wischt.
    Sie legt sich ihm zugewandt auf
die Seite, nimmt seine Hand in die ihren und schließt beruhigt die Augen. Nur
wie aus weiter Ferne gewahrt sie noch, dass er ihr behutsam die Stirn küsst.
Dann ist sie eingeschlafen.

Vae victis
    „Gott steh
uns bei!“
    Joan räkelt sich mit
geschlossenen Augen. Sie ist noch todmüde. Ein unsanftes Rütteln an ihrer
Schulter lässt sie verdrießlich knurren.
    „Jack, wach auf“, erklingt
Malcoms beunruhigte Stimme. Erschrocken öffnet sie die Augen und richtet sich
irritiert in den Sitz auf. Der Tag ist bereits angebrochen. Alle um sie herum
scheinen auf den Beinen zu sein. Für ihr emsiges Treiben ist es jedoch
erstaunlich ruhig. Hastig rückt man sich die Schwertgurte zurecht, pinkelt
ungeniert, wo man gerade steht, stolpert kopflos über Verstorbene hinweg. Joan
fährt sich benommen übers Gesicht, als sie grob am Arm gepackt wird.
    „Jack!“ Malcom rüttelt sie nun
vollends wach, zerrt sie ruppig auf die Beine. Er zieht ihr Schwert, um es ihr
in die Hand zu drücken. Eindringlich legt er ihr die Hände auf die Schultern
und beugt sich etwas zu ihr herab. „Du versuchst, dich mit deinem Kaltblüter
über den Fluß nach Süden zu schlagen. Blicke nicht zurück und lass dich von
niemandem aufhalten. Wenn du den Troß erreichst, warne die Leute und reite so
schnell du kannst zurück nach Northumberland. Frage dich nach Farwick durch und
begib dich auf meine Burg. Mein Steward wird dir alle Fragen beantworten, die
du mir bisher so hartnäckig stelltest.“ Er atmet durch. „Ich hoffe, dass wir
uns unversehrt wiedersehen und dass du mir je verzeihen kannst, dich hierher
mitgenommen zu haben.“
    Auf ihre verständnislose Miene
hin richtet er

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