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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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sich wieder auf und dreht sie ungeduldig an den Schultern zur
Seite. Sie blickt nach vorn ... und ihr klappt wie vom Donner gerührt die
Kinnlade nach unten. Oberhalb der steilen Böschung, die den Hügel von New Park
zur Schwemmebene übergehen lässt, haben die Schotten Aufstellung genommen.
Seelenruhig blicken deren Verbände auf sie herab. Ihr Herz beginnt beim Anblick
der Schiltrons, einem Wald aus Speerspitzen, der sich in zusammenhängender
Linie vor der gesamten Front des englischen Heeres erstreckt, wie entfesselt zu
rasen.
    „Sie haben uns eingekesselt,
Jack“, raunt Malcom mit unbewegter Stimme. „Zwischen dem Bannock Burn und
Pelstream Burn, seinem hiesigen Zufluss. Wir sitzen in der Falle, haben nicht
mal genügend Platz, uns zu formieren. Ein Entrinnen gibt es nur über die Flüsse
oder direkt durch die Reihen dieser verdammten Hurensöhne.“
    Sie ist wie gelähmt. Malcom
schüttelt sie unsanft aus ihrer Starre. „Verschwinde jetzt. Ich fürchte, sie
warten nicht mehr länger.“
    Entsetzt reißt sie die Augen
auf. Sie ist in unsäglicher Angst um ihn. Denn welche Aussicht hat er, jemals
lebend von hier zu entkommen? Die furchterregenden Bilder ihres Alptraumes
kommen wieder hoch. „Gerold braucht den Kaltblüter“, stammelt sie.
    Ungehalten ob ihres Ungehorsams
reißt er sie am Arm. „Du tust, was ich dir sage, verstanden? ... Der Kaltblüter
ist nicht abgerichtet und für den Kampf völlig ungeeignet. Und falls du dich
nicht beeilst, geht er dir durch, wenn die Schlacht beginnt. Gerold nimmt den
Gaul von Guy.“ Er versetzt ihr einen harten, zurechtweisenden Klaps über den
Kopf und stößt sie von sich weg. Ein Trompetensignal bläst zum Bereitmachen der
schweren Reiterei. „Halte dich gut fest, wenn du über den Bannock Burn setzt.
Du kannst doch nicht schwimmen“, ruft er noch besorgt und wendet sich dann
endgültig ab, um sich mit seinen Männern in Kampfbereitschaft zu begeben. „Zu
den Pferden!“
    „Jack! Jetzt mach schon“,
faucht Phil sie von der Seite an und stößt sie in Richtung zum Fluss zu den
noch gezäumten Pferden.
    Sie weiß keine Antwort mehr.
Nur eines weiß sie ganz sicher: niemals wird sie Malcom hier im Stich lassen.
Langsam weicht sie rückwärts von Phil ab und stürzt über etwas. Als sie
erkennt, dass es Guys Leiche ist, rappelt sie sich hastig hoch und blickt
bestürzt auf den Toten herab.
    „Dein Pferd grast dort drüben“,
reißt Phil sie mit ausgestrecktem Arm aus der Starre, wobei er sie eindringlich
betrachtet. Dann wird er plötzlich milder und schenkt ihr ein trauriges
Lächeln. „Ach Joan. Es war ein Fehler, Malcom nichts von dir gesagt zu haben“,
bringt er resigniert hervor. „Mach mir das Herz darüber nicht noch schwerer und
bring dich endlich in Sicherheit.“
    Joan schämt sich plötzlich und
muss eine entsprechende Miene machen, da Phil ihr aufmunternd zunickt, bevor er
besorgt noch einmal nach vorn auf die feindlichen Reihen blickt, um dann Malcom
mit schleppenden Schritten zu den Pferden hinterher zu folgen.
    Die Schotten sind allesamt auf
die Knie gesunken und beten. Joan wendet abrupt und rennt los in jene Richtung,
in welcher die Pferde dicht auf dicht gedrängt stehen. Die Tiere sind nervös.
Besonders die ungestümen Destrier gehen sich gestresst immer wieder gegenseitig
an. Gerade, als sie bei ihrem Kaltblut anlangt, bricht ohrenbetäubendes
Geschrei in ihrem Rücken los. Der Kampf hat offenbar begonnen.
    Verängstigt schwingt sie sich
auf das große Pferd – und hat plötzlich freie Sicht über das gesamte Heer. Die
Schotten stehen ihnen unterhalb der Römerstrasse auf der gesamten Spanne
zwischen Pelstream Burn und Bannock Burn gegenüber. Wie konnten sie sich nur
dazu verleiten lassen, sich ihnen derart auszuliefern! Die schwere Reiterei
sammelt sich vor dem Heer der Fußsoldaten, das sich dicht zusammendrängt und
mit den gehobenen Speeren nun selbst wie ein riesiger Schiltron wirkt. Verzweifelt
hält sie nach Malcoms hochgewachsener Gestalt Ausschau. Er steht zu ihrer
Beunruhigung mit seinen Männern beinahe in vorderster Front der Vorhut. Noch
kämpft niemand. Das Heer macht sich lediglich mit lautem Gebrüll und rhythmisch
auf die Schilde schlagenden Schwertern oder Speeren Mut. Und den wird es
vermutlich brauchen.
    Phil gibt ihr verärgert
Zeichen, dass sie verschwinden soll. Joan sieht daraufhin weg. Sie lässt den
Blick über den Bannock Burn zu den restlichen Fußsoldaten schweifen. Diese verharren
in Unschlüssigkeit.

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