Die rote Farbe des Schnees
Schwall Blut nachfolgt. Er zieht die Klinge
flüchtig durchs Gras, um sie zu säubern, und steckt die Waffe zurück in die
Scheide. Nachdenklich betrachtet er das schmerzverzerrte Gesicht des Toten zu
seinen Füßen. Gerold klopft ihm aufmunternd die Schulter und wendet sich ab.
Die anderen folgen ihm zurück zu den Pferden.
Malcom blickt Joan an. „Auf
diesen Moment habe ich lange gewartet“, erklärt er stockend und fährt sich
aufgewühlt übers Gesicht. „Doch es macht nichts ungeschehen.“ Er kämpft für
einen flüchtigen Moment um seine Fassung. Fürchterliche Schreie reißen ihn dann
aus den Gedanken. „Bring dich endlich in Sicherheit, Jack. ... Gott sei mit
dir“, ruft er, drückt ermutigend ihre Schulter. Doch sein Blick ist leer und
ausdruckslos geworden. Es beunruhigt Joan zutiefst.
„Malcom!“ Aber er hat sich
bereits von ihr abgewendet und verschwindet kurz darauf hinter ihrem Pferd.
Joan kann keinen klaren Gedanken fassen. Wenn ihm etwas zustößt, wird es sie
todunglücklich machen. Doch was kann sie schon ausrichten? … Ihr kommt wieder
ihr Vater in den Sinn. Sollte er am Leben sein? … Das aufgeregte Wiehern des
Kaltblüters dringt plötzlich zu ihr durch und reißt sie aus der Versonnenheit.
Das Tier tänzelt nervös auf der Stelle. Tief durchatmend greift sie in die
Mähne des Tieres und schwingt sich wieder auf dessen Rücken. Ein plötzlicher
Pfeilhagel schwirrt laut über sie hinweg, so dass sie sich unweigerlich abduckt
und den Allermannsharnisch auf ihrer Brust ängstlich umfasst. Der Kampf hat
begonnen. Und Joan denkt nicht daran, zu fliehen.
Die beiden Heere tauschen
kurzerhand einen Schußwechsel, der den Schotten in ihren Lederharnischen zum
klaren Nachteil gereicht. Ihre vordersten Reihen weisen bereits Lücken auf,
doch bleibt ein nutzvoller Angriff der Panzerreiter vorerst aus, da diese
selbst mit den Pfeilen der gefürchteten englischen Langbögen eingedeckt werden.
Joan blickt sich mit fassungslosem Entsetzen nach den englischen Bogenschützen
um. Wie üblich schießen sie ihre Pfeile schnell hintereinander ab, um den Feind
mit einem grob gerichteten Pfeilhagel zu versehen. Der einzigen Methode, die
Reihen der mittlerweile gefürchteten Schiltrons zu lichten und angreifbar zu
machen. Nur ist leider der Abstand der beiden feindlichen Fronten zueinander
nicht groß genug. Die Pfeile der Langbögen haben selbst nach zweihundert
Schritt noch genügend Durchschlagskraft, um mühelos einen Plattenharnisch zu
durchstoßen. Sie richten einen unerhörten Schaden in den eigenen Reihen an.
Zwar haben die Reiter zum Schutz ihre Schilde nach oben gerissen, ihre Beine
und die Pferde jedoch sind den Pfeilen frei ausgesetzt. Erschüttert verbirgt
Joan das Gesicht hinter den Händen. Doch hätte sie sich lieber die Ohren
zuhalten sollen, in denen die Schmerzensschreie von Mensch und Tier nun
grauenhaft gellen. So plötzlich wie es eintrat, verklingt das Surren der Pfeile
wieder. Es wird von einem Trompetenstoß abgelöst. Zwischen ihren Fingern
hindurch wagt Joan einen zaghaften Blick nach vorn.
Ein Ritter ohne Wappenrock
führt die Vorhut am hiesigen Flügel an. Offenbar vergaß er in dem Durcheinander
einfach, sich den Rock über die Rüstung zu ziehen. Er kann von Glück sagen,
dass ihm die Männer folgen, da ihn im Grunde nichts mehr als deren Anführer
kenntlich macht. Er wird als erster von den Schiltrons aufgespießt. Ihm folgen
weitere Panzerreiter, die sich in vorderster Linie den Schiltrons entgegen
werfen. Im Normalfall eine verlässliche Technik, um ungeübte Fußtruppen wie
eine gepanzerte Mauer zu überrennen. Die Schotten jedoch scheinen alles andere,
als ungeübt. Sie zeigen sich unbeeindruckt vom furchteinflößenden Gegner,
halten ihre Linie tadellos geschlossen. Unter dem grässlich anzuhörenden
Bersten schottischer Speerschäfte werden die Reiter einfach aufgespießt. Ein
unglaubliches Gemetzel entsteht. Systematisch werden zuerst die Pferde unter
deren schrillem Wiehern abgestochen, dann die gefallenen Reiter. Joan erkennt
Malcom mit seinen Männern, die Dank Percy noch nicht wieder bis ganz nach vorn
durchgedrungen sind. Der Kampf bricht nun auf der gesamten Front los. Die neun
verbliebenen Divisionen der Panzerreiter wirken mit ihren erhobenen Lanzen nun
selbst wie ein einziger großer Schiltron. Doch gegen die langen, in einem
dichten Wald versammelten feindlichen Piken vermögen sie kaum etwas auszurichten.
Die Schiltrons wirken wie eine undurchdringbare
Weitere Kostenlose Bücher