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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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ein schönes Schild gemalt mit einem
Häuschen am See, das Fenster rechts, davor auf der winzigen Terrasse die Bank,
auf der man sitzen und auf den Teich blicken konnte und Tee trinken und Kuchen
essen. Manchmal kam Sille her und leistete ihm Gesellschaft. Und manchmal
brachte sie den Jungen mit, den Hanno aufgenommen hatte, für den er sorgte. Hanno
sorgte für Gunnar, und er sorgte für seine Sille, die auch kein Glück im Leben
gehabt hatte, und für einen völlig fremden Jungen, der ihm zugelaufen war wie
ein streunender Hund. Da durfte er schon manchmal wütend werden, wenn die drei,
für die er das ganze Geld verdiente und so, wenn die sich dumm und undankbar
anstellten. Ohne Hanno würden sie doch gar nicht über die Runden kommen.
    Gunnar zog seinen kleinen Schlüsselbund aus der blauen Kitteltasche,
das Vorhängeschloss öffnete er blind, das hatte er so oft getan, trat ein,
schloss leise die Tür, zog die dicken Vorhänge zu, die jetzt schwarz waren und
gleich, im Schein der Lampe, die er anzünden würde, dunkelgrün und rot kariert
sein und ihn an seine Mutter erinnern und ihn zu Tränen rühren würden. Und dann
würde er sich auf sein Polsterbett legen, das ebenso grün und rot kariert war,
das hatte Sille für ihn gemacht, dass das zusammenpasste.
    Gunnar fand die Streichhölzer, die auf der Gardinenleiste lagen, zog
die Öllampe über den Tisch mit der Wachstuchdecke, hob den Glaszylinder und
hielt das brennende Streichholz an den Docht.
    Sein Zimmer füllte sich mit warmem Schein. Und mit einem Schatten,
der nicht dort sein sollte. Links war der, hinten links floss er von der
Polsterliege über den Fußboden. Gunnar drehte sich langsam herum.
    Dort lag einer. Wie war der denn hier reingekommen? Der lag dort mit
dem Gesicht nach unten, die Beine oben auf der Liege, das Gesicht da unten auf
dem grauen PVC. Die Beine waren dünne Jungenbeine, die Arme auch: dünne, viel
zu dünne, und blonde Haare, die nach allen Seiten abstanden.
    Â»Kevin?«
    Er bewegte sich ein bisschen, ein Arm rutschte von der Liege nach
unten, die Hand klatschte auf den Boden, und Gunnar sah die Spritze, die
daneben lag.
    Er dachte nicht nach, und das musste er zum Glück auch nicht, weil
Hanno ihm gesagt hatte, was er tun musste: Anrufen, Hanno anrufen. Zwei Mal
Grün drücken, warten, Hanno ging praktisch sofort ran.
    Â»Kevin ist bei mir«, sagte Gunnar atemlos. »Aber irgendwas stimmt
mit seiner Medizin nicht. Er liegt auf dem Boden und bewegt sich so komisch,
die Arme wackeln so komisch.«
    Â»Warte, ich komme.«
    Mehr sagte Hanno nicht, dann war er weg.
    Gunnar fand, es war das Beste, genau das zu tun, was Hanno ihm
gesagt hatte. Er stand dort, die Lampe in der Hand, und sah zu dem Jungen
rüber, der ganz schnell atmete. Gunnar guckte weg, weil der Junge ihm leid tat.
Aber Hanno hatte gesagt, warten. Das tat er, aber mit den Augen musste er nicht
warten, das hatte Hanno sicher nicht gemeint, darum ließ er seine Augen hin und
her laufen, wenigstens die Augen. Sie fanden Kevins Jacke und Geldscheine und
einen kleinen Beutel mit Kevins weißer Medizin, der fast leer war, und seine
Schuhe, die er ausgezogen und hingeworfen hatte, einer war bis zum Tisch
geflogen, lag auf der Seite, die Schnürsenkel lagen da wie zwei dünne
Schlangen, der andere lag neben dem Jungen, neben seinem Kopf, der hin und her
ruckte.
    Gunnar ließ seine Augen weiterlaufen, die Tür zum Klo stand offen.
Scherben. Da waren Scherben auf der Türschwelle, die im Licht der Lampe schimmerten.
Der Junge musste durchs Klofenster reingekommen sein. Er hätte nicht gedacht,
dass jemand durchs Klofenster passen würde. Sonst hätte er Hanno um ein Gitter
gebeten. Gunnar wollte hingehen, wollte das Kehrblech unter der Spüle
hervorholen und die Scherben wegmachen. Aber dann hätte er nach rechts gehen
müssen, und dann wieder nach links, zweimal an dem Jungen vorbei, und er hätte
auch vielleicht wieder dahin gucken müssen, und Hanno hatte ja gesagt, warten.
    Das Warten kam ihm sehr lange vor, und er wollte sich so gerne
setzen oder wenigstens die Lampe wegstellen oder das Geld einsammeln, Geld
gehörte nicht auf den Boden, sondern ordentlich in die Büchse.
    Dann, endlich, wurde die Tür aufgedrückt, leise und bestimmt, und
Gunnar drehte den Kopf. Hannos Augen sahen dunkel aus im Lampenschein. Der
Junge hatte mittlerweile

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