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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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aufgehört, sich zu bewegen.
    Â»Ich fürchte …«, sagte der Arzt.
    Janina wollte es nicht hören. Sie hielt den Kopf gesenkt,
betrachtete die hellgrünen Linoleumfliesen auf dem Boden vor der
Notfallstation. So einen Boden in Rosa, dachte sie, das wäre es für die Halle.
Das würde gut quietschen, wenn die Tänzer … aber andererseits könnte man sich
auch böse die Haut aufschürfen, weil sie nicht rutschte auf so einem Boden,
sondern kleben blieb. Und Rost wollte außerdem diese Latexschicht, die nicht
viel brachte, weil sie sich nicht in größeren Fladen oder Lappen löste, die wie
lose Haut aussahen, sondern vor allem in schmutzigen Krümeln, die sich in
Kostüme und Haare setzten. Sie würden sich etwas Neues ausdenken müssen, wenn
Rost auf diesem Hautlappeneffekt bestand.
    Â»â€¦Â wir werden ihn erst einmal dabehalten.«
    Janinas Schreck ging tiefer, als sie erwartet hatte. Sie hatte damit
gerechnet, dass Rost Medikamente nehmen müsste, dass er vielleicht Einschränkungen
würde hinnehmen müssen. Kein Alkohol mehr. Oder keine Wutanfälle. Aber dabehalten?
    Â»Aber die Inszenierung.«
    Der Arzt, ein dünner Mann mit Brille, zog eine Handvoll
Tablettenblister aus der Kitteltasche.
    Â»Das hier hat er in seiner Jackentasche gehabt. Das sind
Demerol-Tabletten, ein Morphin, das süchtig macht. Außerdem hatte er noch
Aufputschmittel und Downer. Normalerweise gibt es die nicht rezeptfrei und auch
nicht in dieser unmöglichen Kombination. Und er scheint sie wie Bonbons zu
essen.«
    Ja, die Tabletten. Janina war auch schon aufgefallen, dass er sie
nahm. Aber vielleicht hatte er sie ja verschrieben bekommen, wie kam dieser
Arzt darauf, dass es anders war?
    Â»Was hat er denn dazu gesagt?«
    Â»Dass er Kopfschmerzen hat und müde ist. Was er heute hatte, scheint
jedoch eine Art Anfall gewesen zu sein, ich tippe vorerst auf etwas
Neurologisches. Es könnte ein Tumor sein. Oder eine Stoffwechselstörung. Das
kann ich aber jetzt noch nicht sagen. In jedem Fall hat er massiv Raubbau an
sich betrieben, Alkohol, Tabletten, Überarbeitung, Mangelernährung. Das kann
man mit ziemlicher Sicherheit behaupten.«
    Janina nickte. Vorhin hatte sie noch überlegt, mit Simon hier
auszusteigen. Und jetzt schien das Schicksal ihr unmittelbar zuzustimmen. Sie
wollte keinen Widerstand leisten, und in einer Ecke ihres Bewusstseins, sehr
weit hinten, fühlte sie Erleichterung. Mit Simon nach Hause fliegen, ja.
    Und zugleich war dieser Gedanke unerträglich. Aber was genau hielt
sie hier? Eine falsch verstandene Solidarität Josef Rost gegenüber? Ihr Heimweh
nach Berlin?
    Die eigentliche Antwort stieg als Gesicht in ihr auf: Dave. Wenn die
Inszenierung platzte, gäbe es keinen Grund mehr, ihn jemals wiederzusehen.
Dave, dessen Nähe sie nicht ertrug, von dem sie sich längst verabschiedet
hatte, der sich ohnehin nicht mehr an sie erinnerte. Dennoch. Jetzt zu gehen,
ohne … ja, ohne was eigentlich?
    Â»Wann wird er denn wieder arbeiten können?«
    Der Arzt hob die Schultern, ließ sie wieder fallen.
    Â»Ich finde, es ist nicht der Zeitpunkt, an Arbeit überhaupt zu
denken. Jetzt sollte erst einmal die Gesundheit im Vordergrund stehen.«
    Â»Dafür habe ich keine Zeit.«
    Josef Rosts Stimme dröhnte fast so kraftvoll wie immer.
    Janina drehte sich um. Er stand auf käsigen Beinen im
Krankenhaushemd im Gang, hielt sich am Laufgeländer fest, das an die Wand
geschraubt war, machte ein paar Schritte, die wohl fest und entschlossen wirken
sollten, aber bemitleidenswert wackelig aussahen. Janina eilte ihm entgegen,
stützte ihn.
    Â»Josef, du gehörst hier nicht her!«
    Â»Eben. Eben! Wo sind meine Klamotten. Ich habe nicht vor, mit
nacktem Arsch zurückzugehen.«
    Â»Du kannst dich hier doch wenigstens ausschlafen. Es ist mitten in
der Nacht.«
    Rost schüttelte heftig den Kopf.
    Â»Das ist mir scheißegal!«, blaffte er los. Dann fuhr er leise fort,
während er Janina mit seinem gesunden Auge ansah:
    Â»Wenn ich hierbleibe, komm ich nicht mehr raus.«
    Sein linkes Auge wanderte, er sah bleich und dem Tode näher als dem
Leben aus. Er legte eine Hand auf ihre Schulter, stützte sich schwer ab. Janina
wusste, dass er recht hatte.
    Er sah sie nicht an, als er weitersprach.
    Â»Ich weiß schon, dass es zu Ende geht. Weil es in meinem Hirn sitzt.
Jeder Arzt, der seinen

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