Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
Vom Netzwerk:
offensichtlich.
    Sebastian wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht, greift nach der
Brause, stellt die Temperatur ein. DeeDee steht mit leicht gespreizten Beinen
vor der Wanne, stützt sich mit den Händen ab und beugt sich vor.
    Â»Gut so?«
    Â»Perfekt«, sagt DeeDee. Sie hält die Augen geöffnet, das Wasser, das
von ihren Haaren in die Wanne läuft, löst den Schaum auf, Sebastians knochige
Füße kommen zum Vorschein, sein Geschlecht treibt wie ein kleiner, dicker Fisch
im Wasser.
    Â»Welches Shampoo soll ich nehmen?«
    Â»Was gibt es denn?«
    DeeDee bleibt vornübergebeugt stehen, als Sebastian die Flaschen auf
dem Badewannenrand hin und her rückt.
    Â»Das ist alles Badezeug. Es gibt nur Antischuppenshampoo for men.«
    Â»Scheiße.«
    Â»Willst du?«
    Â»Was bleibt mir übrig?«
    Sebastian verteilt Shampoo auf DeeDees Kopf, der Geruch von Josef
Rost breitet sich aus, unerotisch, ernüchternd. DeeDees Hände auf dem
Wannenrand sehen weiß und blutleer aus, Sebastians Füße in der Wanne sind feuerrot.
    So geht das nicht. Diese Situation sollte knistern und glühen. Also
löst DeeDee die rechte Hand vom Wannenrand, spielt damit an der
Wasseroberfläche, lässt sie hin und her gleiten, während Sebastian ihr den
Schaum aus den Haaren spült, und dann lässt sie die Hand tiefer sinken. Berührt
den kleinen, dicken Fisch im Wasser. Hält ihn fest. Übt sanften Druck aus. Keine
Reaktion, keine Regung.
    Â»Fertig«, sagt Sebastian und stellt das Wasser aus. »Könntest du
jetzt bitte meinen Schwanz loslassen?«
    DeeDee zieht ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Wasser
rinnt in dünnen Strängen aus ihrem Haar in die Wanne.
    Â»Ich wollte dir nur einen Gefallen tun.«
    Â»Danke, zu gütig. Die Handtücher sind dort am Haken.«
    DeeDee richtet sich auf, ihre Beine, ihr Rücken haben nun keine
Spannung mehr, sondern sie fühlen sich steif und ungelenk an, als sie zu den
Handtüchern stakt. Sie schlingt sich ein großes, gelbes Tuch um den Kopf.
Wendet sich ab, wendet sich dem Spiegel zu.
    In ihrem Gesicht steht ein Ausdruck des Erstaunens. Er hat sie
abblitzen lassen.
    Aber DeeDee kann doch jeden Mann haben. Jeden. Sie rubbelt sich vor
dem Spiegel die Haare ab, trocknet den Schweiß unter ihren Achseln, benutzt
Rosts Deo und kommt sich wie ein Transvestit vor mit all den herben Gerüchen an
ihrem Körper.
    Sie beginnt, ihr Haar über eine Bürste glatt und glänzend zu ziehen.
Der uralte Föhn dröhnt mit der Lautstärke einer Straßenkehrmaschine, und doch
erträgt DeeDee die Stille nicht, die unter diesem Dröhnen liegt, das
Nichtsprechen, das Schweigen. Sie muss fast schreien, um den Föhn zu übertönen.
    Â»Weißt du, Dave und ich, wir werden heute sicher nicht lange
bleiben. Morgen ist ja schon die nächste Vorstellung, und da muss er
ausgeschlafen sein. Na ja, viel schlafen werden wir wahrscheinlich dennoch
nicht.«
    DeeDee zwinkert Sebastian zu, aber der liegt mit geschlossenen Augen
in der Wanne und sieht es nicht.
    Â»Er war einfach wundervoll heute Abend, findest du nicht auch? Rost
hat ein solches Glück, mit ihm zu arbeiten. Er ist nicht nur unfassbar
talentiert, er ist auch noch schön. Und ein echter Gentleman. Und im Grunde ein
großes Kind. Er fragt nicht, er genießt einfach. Und bei seiner nächsten
Inszenierung werde ich die Hauptrolle mit ihm tanzen, wir haben …«
    Â»Du kannst doch gar nicht tanzen, DeeDee. Du hast null Talent.«
    Der Föhn dröhnt, ihr Ohr wird immer heißer, weil sie vergessen hat,
den Luftstrom zu bewegen. Dann besinnt sie sich, ihr Blick begegnet sich selbst
im Spiegel, sie nimmt die nächste Haarsträhne in Angriff.
    Doch, sie sieht großartig aus, die Lippen perfekt geschwungen, die
Augenbrauen schmal und definiert, die Haut so weiß und rein, die Brüste nicht
flach und unscheinbar, wie bei so vielen Tänzerinnen, sondern rund und fest,
mit langen, spitzen Warzen.
    Â»Und so unwiderstehlich bist du auch nicht.«
    Mit diesen Worten taucht Sebastian ab, lässt sich abwärts gleiten.
    DeeDee starrt ihn an, starrt die weißen Knie an, die aus dem Wasser
ragen, die geschlossenen Augen mit den langen Wimpern knapp unter der
Wasseroberfläche, das Geschlecht, das noch immer träge im Wasser treibt.
    Wie lange kann einer so tauchen, ohne zu ersaufen, denkt DeeDee,

Weitere Kostenlose Bücher