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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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Schritt näher, sie konnte ihn jetzt
fühlen, die ganze Länge seines Körpers so dicht an ihrem. Und dann presste er
sich an sie, als ob er sich in Janina vergraben wollte. Sie spürte sein Gesicht
in ihrer Halsbeuge, seinen Atem, seine Finger, die sich in ihren Rücken
krallten.
    Janina fühlte sich steif wie ein Baum, hart wie ein Stein.
    Dave schluchzte in ihre Schulter wie ein Kind. Und sie verstand es
nicht.
    Musste sie es nicht sein, die heulte? Und was war mit seiner
Berührung? Warum löste sie nichts in ihr aus? Die ganze Zeit, seit sie ihm
wiederbegegnet war, hatte sie gedacht, dass da wieder dieses Verschmelzen,
dieses Verschwinden sein würde, wenn sie ihn nur berühren könnte, so wie damals.
    Doch es war ganz anders jetzt. Dave war nur ein anderer Körper.
Verschieden von ihr. Nach wie vor ein fremder Mann, der ihren Körper benutzte,
um seine Gefühle auf ihr abzuladen, ohne dass sie ihn darum gebeten hatte. Sie
schob Dave von sich.
    Â»Was ist los? Was sagst du?«
    Dave wischte sich über die Augen.
    Â»Was ich sage? Scheiße, sage ich!«
    Er lief ein paar Schritte weg, kam wieder zurück, wusste nicht,
wohin mit seinen Händen, die unkoordiniert durch die Nachtluft ruderten.
    Â»Warum erfahre ich das erst jetzt?«
    Er klagte sie an. Er sie.
    Â»Du meinst, du hättest das früher wissen wollen? Das ist doch wohl
nicht dein Ernst!«
    Da, endlich, war die Wut wieder, und jetzt drehte sie sich nicht
mehr hilflos in Janinas Magengrube, jetzt fand sie einen Ausgang.
    Â»Ich habe an deine Liebe geglaubt! Du hast mich verraten!«, schrie
Janina.
    Sie hielt inne, sprach leiser weiter, kontrollierte den Druck, ließ
ihn in dosierten, scharfen Stößen entweichen.
    Â»Du hast mich glauben lassen, ich wäre die Einzige.« Atmen.
    Â»Dann verlobst du dich mit einer anderen.«
    Atmen.
    Â»In meinem Beisein.«
    Atmen.
    Â»Mit einer, von der ich nicht einmal etwas wusste.«
    Atmen.
    Â»Du hattest Affären mit DeeDee.«
    Atmen.
    Dave schüttelte den Kopf. »Nicht mit DeeDee. Mit der nicht,
niemals!«
    Janina fegte seinen Einwand fort.
    Â»Mit Rost.«
    Atmen.
    Und jetzt lauter, sollte man es doch bis zum Columbiadamm hören!
    Â»Du hast alles gefickt, was dir über den Weg lief!«
    Dann war die Luft raus, und Janina fühlte sich nicht mehr wie ein
Tier im Käfig, sondern wie ein Mensch, der nach langer Zeit im Keller plötzlich
frische Nachtluft atmet.
    Â»Denkst du, ich hätte noch Vertrauen in dich gehabt? Und denkst du,
du hättest ein Kind haben wollen? Du hättest mir Geld gegeben und mich zur
Abtreibung geschickt.«
    Dave blieb stehen. Nickte. Er gab ihr recht.
    Â»Janina, damals wusste ich noch nicht, dass ich steril werden würde.
Es lag an einer Infektion. Marianna und ich wollten Kinder, unsere Ehe ist
daran gescheitert.«
    Dave liefen jetzt wieder Tränen übers Gesicht, aber er blieb auf
Distanz.
    Â»Jetzt habe ich das Gefühl, ich habe mein Kind verpasst. Ich hätte
es wissen wollen.« Dave hielt inne, sah sie an, nickte. »Aber wenigstens weiß
ich es jetzt, nicht wahr? Simon. Ein guter Name. Wie alt?«
    Janina fühlte das Grinsen auf ihrem Gesicht. Sie fühlte sich mit
einem Mal leicht. Alles würde ein gutes Ende nehmen.
    Â»Rechne doch mal.«
    Â»Sechzehn?«
    Â»Ãœbermorgen wird er sechzehn. Ja.«
    Dave kam auf sie zu, legte die Hände auf ihre Schultern, und plötzlich
spürte Janina wieder, was sie jemals an ihm angezogen hatte. Die Eleganz seiner
Bewegungen, das Gesicht, die Lippen.
    Â»Ich schulde dir was.«
    Janina nickte. Ja, er schuldete ihr was, und sie würde es sich
nehmen. Jetzt. Bevor der Moment verging.
    Sie legte ihre Lippen auf seine, wartete, ob er sie für sie öffnen
würde, und er tat es, küsste sie, und dann war es wie früher.
    Alle Unsicherheiten waren weggefegt, alle Gedanken nichts weiter als
ein bisschen Staub, den man später würde zusammenkehren können, sie fühlte,
sah, schmeckte, und sie wusste, dass es ihm genauso ging. Sie hatte sich
niemals in ihm getäuscht. Wenn er liebte, dann liebte er ganz. Nur konnte es
eben sein, dass er seine Liebe nicht auf einen Menschen konzentrierte. Und als
Janina merkte, wie egal ihr das war, wie wenig es sie kümmerte, mit wem Dave
alles schlief oder nicht schlief, überrollte sie etwas, was sie noch nicht
erlebt hatte, ein Hochgefühl, das sie in

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