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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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betrachtete die kondensierten Wassertröpfchen, die an ihrem Glas
hinabliefen, inhalierte die rauchgeschwängerte Luft und horchte auf das Summen
der Gespräche um sie herum.
    Dave und sie schienen auf einer Insel des Schweigens zu sitzen,
gefangen in einer Glasglocke, die sie vom Rest der Menschheit trennte, und
Janina wusste nicht, ob das gut oder schlecht war.
    Dann stand Dave plötzlich neben ihr, vor ihr, aufgebaut,
gestikulierend. Sein Gesicht wirkte im Clublicht dämonisch, wild, und Janina
fürchtete einen Moment lang, er könnte sie schlagen oder ihr ihren Mai Tai ins
Gesicht schütten, obwohl das eigentlich ihre Rolle gewesen wäre.
    Wahrscheinlich hatten schon hundert Frauen behauptet, von ihm
schwanger zu sein. Wahrscheinlich war das eine Standardfalle, aus der er sich
schon zu oft entwunden hatte. Wahrscheinlich hatte er es gründlich satt und
glaubte ihr nicht. Und sie hatte keinen Beweis. Nicht mal in Form des Sohnes,
den sie ihm vorzeigen konnte.
    Â»Komm schon«, zischte er und drängte sich an ihr vorbei. »Ich muss
an die Luft.«
    Er lief voran, so schnell, dass Janina Mühe hatte, aus dem tiefen,
weichen Sessel hochzukommen und ihm zu folgen. Sie pflügten sich durch die
Menschen, die am Rand der Tanzfläche standen, an der Bar vorbei und die Treppe
hinauf. Standen schließlich draußen, mitten in einer überwarmen Sommernacht
unter einem schweren, verhangenen Himmel.
    Dave atmete, als ob er gerannt sei, packte Janina mit hartem Griff
am Unterarm, zog sie mit.
    Â»Komm schon.«
    Janina folgte ihm, zu verwirrt, um sich zu wehren oder zu fragen,
was das sollte.
    Er schlug den Weg Richtung Flughafen ein. Wollte er jetzt mit ihr
zurückgehen? Was hatte er vor? Sie stolperten die kleine Straße an der
Friedhofsmauer entlang, rechts an der ersten Kirche vorbei, und noch ein paar
Hundert Meter, und dann würden sie den Durchgang zum Columbiadamm erreichen, an
der Kleingartensiedlung mit dem Nachtschwimmer vorbei.
    Der Gedanke an den alten Mann lenkte Janina von ihrer eigenen,
verwirrenden Situation ab. Sie hätte vielleicht doch die Polizei rufen sollen.
Aber mit welcher Begründung? Janina nahm sich vor, nach dem Mann zu sehen.
    Doch so weit kamen sie gar nicht.
    Dave zog sie nach links auf das finstere Gelände mit der zweiten,
erdrückend monumentalen Kirche darauf, zog sie weiter, außer Sicht des Weges.
Was hatte er vor? Wollte er sie irgendwo zwischen den Büschen beseitigen, weil
sie ihn mit Vaterschaft bedrohte?
    In Janina regte sich ein Anflug von Angst. Im Grunde kannte sie
diesen Mann überhaupt nicht, er war ein Fremder, und er benahm sich
beunruhigend. Sie versuchte, ihr Handgelenk seinem Griff zu entziehen, aber
Dave hatte Kraft und setzte sie ein.
    Â»Dave. Lass los. Das tut weh«, brachte Janina atemlos hervor und
stemmte sich mit ihrem ganzen Körpergewicht gegen ihn.
    Mittlerweile befanden sie sich zwischen der Rückseite der Kirche und
einem Erdwall, hinter dem sich die Tennisplätze und dann der Columbiadamm
befinden mussten.
    Endlich blieb Dave stehen, ließ sie aber nicht los, packte ihr
zweites Handgelenk, als sie versuchte, seine Finger zu lösen.
    Â»Dave, lass mich los!«
    Sie stand mit dem Rücken zur Wand, und er war ganz dicht vor ihr.
    Â»Hast du Angst?«, fragte er durch zusammengepresste Zähne.
    Janina nickte. Ja, sie hatte Angst.
    Plötzlich ließ er sie los, wandte ihr den Rücken zu, leicht
vornübergebeugt, schwer atmend. Seine Stimme war sehr leise, als er sprach.
    Â»Das ist gelogen, oder?«
    Janina schüttelte den Kopf. Sie musste Ruhe bewahren, sie hatte
nichts zu befürchten. Nichts, außer dass Dave ihr nicht glaubte.
    Â»Wenn du ihn siehst, wirst du es selbst erkennen. Er sieht genauso
aus wie du.«
    Dave wandte sich ihr wieder zu, seine Augen waren groß und dunkel
wie die eines Kindes.
    Â»Wie heißt er?«
    Â»Simon.«
    Â»Und du bist dir sicher?«
    Â»Absolut.«
    Â»Wie kannst du dir so sicher sein?«
    Janina zögerte, aber es musste gesagt werden. Es ging hier nicht um
sie oder ihre Gefühle. Es ging um Simon.
    Â»Du bist der erste und der einzige Mann, mit dem ich je geschlafen
habe. Jemand anders kann es nicht gewesen sein.«
    Als sie es aussprach, klang es so unwahrscheinlich wie die
Behauptung einer jungfräulichen Geburt. Janina wartete darauf, dass er
loslachte, dass er abwinkte und ging.
    Stattdessen kam er noch einen

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