Die rote Halle
Kein Wasser im Becken.
»Gibt es hier etwas zu sehen?«, fragte DeeDee und reckte den Kopf in
die Nasszelle.
»Nichts als Dreck«, sagte Kommissar Schulz laut, während er Janina
weiter intensiv anblickte.
Dann drängte er DeeDee und Janina zur Tür hinaus.
»Nun, hier gibt es leider wirklich nichts zu sehen«, verkündete er.
»Kümmern wir uns also um Herrn Rost. Sie sagten, er hat eine Villa in Grunewald?«
DeeDees Gesicht hellte sich auf.
»Ja. Soll ich Ihnen die Adresse geben?«
»Wir werden dort vorbeifahren und uns umsehen.«
DeeDee schrieb die Adresse auf Kommissar Schulzâ Notizblock.
»Ich sollte vielleicht lieber hierbleiben?«, fragte sie. »Falls
Simon wiederkommt?«
»Nein. Die Kollegen sind informiert. Wenn er hier auftaucht,
erfahren wir es. Das Gelände bleibt abgesperrt, bis die Spurensicherung fertig
ist.«
Janina konnte es nicht verhindern, dass schon wieder Tränen in ihr
aufstiegen, und es tat gut, dass Dave da war, um einen Arm um sie zu legen und
sie festzuhalten.
DeeDee sah besorgt aus, aber sie versuchte ein aufmunterndes
Lächeln, legte ihr ebenfalls eine Hand auf den Arm.
»Wir finden ihn schon, SüÃe«, sagte sie.
Ihr Lächeln wurde breiter, doch Janina sah ein unsicheres Zittern in
ihrem vernarbten Mundwinkel.
Die Berührung war Janina unangenehm, und DeeDees um Zuneigung
bettelnder Blick war ihr zuwider. Sie zog ihren Arm weg, wandte sich ab. Sie
war nicht bereit, DeeDee die Sache zu erleichtern. Zu deutlich klang noch ihr
»krepiert doch« in den Ohren nach, und sie war wütend, dass sie Simon in so ein
Dreckloch gesteckt hatte.
»Brauchen Sie für Rosts Villa nicht einen Hausdurchsuchungsbefehl
oder so was?«, fragte Dave.
»Das dürfte das kleinere Problem sein«, sagte der Kommissar. »Bitte
halten Sie sich zur Verfügung. Alle drei. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
Dann wandte er sich an Janina. »Kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?«
Janina folgte dem Kommissar den Plattenweg hinauf. Eine der Hütten
auf dem Weg nach drauÃen wurde ebenfalls durchsucht. Ob das die Hütte des alten
Mannes war, den sie aus dem Teich geholt hatten? War er der Mörder des anderen
Jungen?
Kommissar Schulz blieb auf der Terrasse der Hütte stehen. Auf dem
welligen Resopaltisch stand eine riesige Thermoskanne, und Janina wünschte sich
einen kochend heiÃen, starken Kaffee. Sie streckte den Arm nach dem Drücker
aus, aber der Kommissar hielt sie zurück.
»Nicht. Nichts anfassen.«
»Natürlich, Entschuldigung.«
Janinas Blick traf wieder den toten Jungen, der dort unten im Gras
lag. Inzwischen hatte jemand ihn in einen Bodybag gesteckt und zog den
ReiÃverschluss zu. DeeDee und Dave standen immer noch vor der Hütte, und DeeDee
sah von hier aus sehr klein und zerbrechlich aus neben Dave.
»Haben Sie etwas bemerkt?«, wollte der Kommissar wissen und sah
Janina direkt in die Augen. Die Ruhe, die seine Bassstimme ausstrahlte, half
Janina, einmal richtig durchzuatmen und ihn wahrzunehmen. Er war groÃ, breit,
hatte einen kleinen Bauchansatz. Die grünen Augen unter dem hellen Haar wirkten
warm, er sah aus wie ein moderner Wikinger. Geduldig wartete er darauf, dass
sie antwortete. Aber sie war nicht gut darin, Dinge zu bemerken. Sonst hätte
sie bemerken müssen, wie sehr ihr Sohn sie brauchte. Sie war so sehr von Daves
strahlendem Erscheinen geblendet gewesen, dass sie den Blick für die Realität
verloren hatte. Sie schüttelte den Kopf.
»Ich weià nicht, was ich denken soll.«
»Vielleicht genügt es vorerst, nur zu beobachten. Ist Ihnen zum
Beispiel aufgefallen, wie dreckig es in der Hütte war?«
Janina nickte.
»Haben Sie eine Idee, was das bedeutet?«
Der Kommissar hatte recht. Sie musste nicht denken. Es reichte
tatsächlich, ihre Aufmerksamkeit auf diesen Punkt zu lenken, um zu verstehen.
»Es ist seit Ewigkeiten niemand in dieser Hütte gewesen. Die
Toilette ist seit Ewigkeiten nicht benutzt worden.«
Kommissar Schulz nickte.
»Frau DeeDee lügt leider. Dies ist nicht der Ort, wo sie Ihren Sohn
untergebracht hat.«
Nicht hier. Er war also nie in dieser Hütte gewesen.
»Aber warum? Ich verstehe das nicht.«
»Motive sind oft geheimnisvoll, Frau Zöllner. Ich will Ihnen keine
Angst machen. Aber ich denke, wir sollten Frau DeeDee ebenso im Auge behalten
wie Josef
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