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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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und Ihr Sohn sich getroffen haben, können wir ja kaum etwas
ausrichten.«
    Â»Er ist ja sowieso schon halb tot«, schluchzte Janina Zöllner.
    Helge war sich nicht sicher, ob sie den Choreographen oder ihren
Sohn meinte.
    Â»Vielleicht sollten Sie erst einmal alle Möglichkeiten überprüfen.
Vielleicht sehen Sie dort nach, wo Sie den Jungen untergebracht haben, Frau …
äh … DeeDee? Vielleicht ist er ja inzwischen zurückgekommen.«
    Den verzweifelten Blick hatte er erwartet. Er kam in solchen Fällen
immer.
    Â»Es tut mir leid, dass ich in diesem Moment noch nicht viel mehr für
Sie tun kann. Wo haben Sie Simon überhaupt untergebracht?«
    Helge hätte Janina gerne eine Hand auf den Arm gelegt, sie beruhigt.
Aber er begnügte sich damit, ihr ein frisches Paket Taschentücher über den
Tisch zu schieben.
    Â»In einer Datscha«, sagte DeeDee dumpf. »Gleich hier in der Nähe.«
    Janina schnappte nach Luft.
    Â»Aber warum hast du mir das nicht gesagt?«
    DeeDee verdrehte die Augen. »Weil er es nicht wollte.« Sie betonte
jedes Wort, als hätte sie es schon hundert Mal gesagt. »Er kann jederzeit zum
Flughafen kommen, wenn er das will. Muss nur über die Straße gehen. Es ist
ideal.«
    Â»Haben Sie vielleicht ein Foto von Simon?«
    Der Tänzer zog sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und holte das
Foto eines etwa zwölfjährigen Jungen mit dichtem, haselnussbraunem Haar und
einem betörenden Lächeln hervor. Er war unverkennbar seines Vaters Sohn.
    Â»Ich habe es erst gestern bekommen. Bitte seien Sie vorsichtig
damit.«
    Â»Ist es aktuell?«
    Â»Nein«, sagte Janina. »Er hat jetzt schwarzes Haar, schminkt sich
auch. Und er wird morgen sechzehn.«
    Dann fing sie wieder an zu weinen, leise und dezent, man hörte es
nur an ihrem gelegentlichen harten Schlucken.
    Helge nickte, steckte das Bild in die Mappe, die er bei der Arbeit
ständig mit sich herumschleppte. Er wusste zwar nie so richtig, wohin damit,
aber ohne sie kam er auch nicht aus.
    Â»Lassen Sie doch bitte Ihre Personalien und Telefonnummern da, bevor
Sie gehen«, sagte er, stand auf, gab erst Warschauer, dann DeeDee und zuletzt
Janina Zöllner ein wenig länger und herzlicher die Hand.
    Krissie steckte den Kopf zur Tür herein und vermeldete:
    Â»Bewusstlos, nicht vernehmungsfähig.«
    Das war schlecht.
    Â»Dann müssen wir eben warten. Ach – und nehmen Sie meine Karte mit,
da ist meine Diensthandynummer mit drauf.«
    Während die anderen beiden hinausgingen, stand Janina zwar auf,
blieb aber unschlüssig stehen.
    Â»Könnten Sie nicht mitkommen?«, fragte sie leise.
    Eigentlich bestand dazu kein Anlass. Noch nicht. Der Junge würde
sich wieder einfinden, wenn er sich lange genug bewiesen hatte, dass er Mama
nicht mehr brauchte. Aber das konnte Helge ihr so nicht sagen. Wenn an der
Päderastengeschichte etwas dran war, dann würde er sich damit ganz schön in die
Nesseln setzen. Gewalttätigkeiten, Kontrollverluste, ein starkes
Verdachtsmoment, die Behauptung des Jungen. So etwas musste man schon ernst nehmen.
    Â»Warum wollen Sie mich dabeihaben?«
    Â»Vielleicht finden Sie eine Spur, wo er hin ist?«, fragte sie.
    Er antwortete nicht.
    Â»Vielleicht aber auch wegen etwas, was hier nicht gesagt wurde«,
sagte sie noch leiser, sah ihn dabei nicht an.
    Â»Was wollen Sie andeuten?«
    Sie warf einen schnellen Blick über die Schulter. Die beiden anderen
standen im Flur und warteten, den Blick auf sie gerichtet.
    Â»Ist es wegen Frau DeeDee?«, fragte er leise.
    Ein unmerkliches Nicken.
    Â»Wo liegt das Problem?«
    Â»Das Letzte, was ich von meinem Sohn persönlich gehört habe, ist,
dass er nach Kanada wollte. Nach Hause. Und Josef Rost sagt, Simon hätte
fünftausend Euro von ihm bekommen. DeeDee sagt aber, Simon war die ganze Zeit
bei ihr. Und sie … benimmt sich zum Teil ziemlich … merkwürdig. Ich weiß nicht
mehr, was ich denken soll.«
    Helge überlegte. Wenn er wollte, konnte er genügend Gründe finden,
sich die Sache gleich anzusehen. Er wollte.
    Sie gingen zu Fuß, DeeDee vorweg, angestrengt fröhlich
plappernd, aber Janina war viel zu ausgelaugt und verwirrt, um höflich zu sein
und zu reagieren, und Dave und der Kommissar ließen sich ebenso wenig darauf
ein.
    Janinas Herz begann schneller zu schlagen, als ihr klar wurde, dass
sie genau zu

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