Die rote Schleife
schlechter ging, hatte eine Ahnung davon, wie es in ihr aussah.
6.
Leon schlug mit voller Wucht in Maximilians geöffnete Hand ein.
„Na Alter, langsam wieder auf dem Damm?“ Maximilian rieb sich den Nacken. Die Lymphknoten waren in den letzten zwei Tagen wirklich kleiner geworden. Halsweh hatte er gar keins mehr.
„Jau, so langsam.“
„Is was?“ Leon guckte ihn schief an. „Warum biste nicht zur Schule gekommen?“ Die Fragerei ging ja früh los. Genau das hatte er doch befürchtet. Aber mit seinen Eltern und Dorothee hatte er sich eine gute Geschichte einfallen lassen, die er nach und nach in der Schule verbreiten würde.
Auch bei Leon? Der Gedanke, seinen besten Freund anzulügen, bereitete ihm Bauchschmerzen. Wenn er nicht seinem besten Freund vertrauen konnte, wem dann? Wem konnte er überhaupt vertrauen? Bislang wusste es niemand außer Dorothee und seine Familie.
„Anordnung vom Arzt. Mein Blut ist nicht ganz in Ordnung.“
„Ach so.“ Leon hielt kurz inne. „Wenigstens fit zum Zocken?“
„Klar Mann!“ Maximilian atmete auf. Er hatte Zeit gewonnen. Zeit, in der er überlegen konnte, was er Leon sagen sollte. Er zweifelte. Was, wenn Leon nicht zu ihm hielt? Leon könnte wegrennen, alle Freunde würden es in kurzer Zeiterfahren. Sein Leben wäre dann im doppelten Sinne ruiniert. Und wenn es Leon später erfuhr, nach Monaten erst oder nach Jahren? Wenn er sich selbst genug mit dieser Krankheit auseinandergesetzt hatte und er nicht nur den Mut, sondern auch die Kraft besaß, dazu zu stehen? Wie würde er an Leons Stelle reagieren? Maximilian fühlte eine neue Schwere auf seinen Schultern. Er hatte keine Ahnung. Wenn er doch nur etwas klarer sehen könnte!
Maximilian verlor eine Runde nach der anderen auf der Playstation. Seine Gedanken waren nicht beim Spiel. Je mehr Zeit verging, desto schwerer fiel es ihm, den ersten Schritt zu wagen. Sein Herz hämmerte wie wild in seinem Brustkorb, während er sich Sätze zurechtlegte, die er vielleicht sagen konnte.
Als er auch die vierte Runde verloren hatte, warf Leon die Konsole auf den Tisch und stützte seine Hände hinter seinem Körper auf Maximilians Bett ab.
„Was ist los mit dir? Normalerweise habe ich kaum eine Chance gegen dich. Wenn überhaupt, gewinne ich mal eine Runde. Aber heute?“ Leon schüttelte ungläubig den Kopf.
Maximilian wagte es nicht, seinem Freund in die Augen zu schauen. Wie lange würden sie noch Freunde sein? Oder konnte er die Freundschaft durch eine Lüge retten? Eine Lüge, die die Freundschaft später noch stärker beschädigen konnte?
„Möchtest du was trinken?“ Hoffentlich konnte er Leon ablenken. Möglicherweise vergaß er seine Frage wieder.
Er nickte undMaximilian holte eine Flasche Sprudel. Nachdem Leon einen Schluck daraus genommen hatte, setzte auch Maximilian an und trank die halbe Flasche aus. Dann stellte er sie zugeschraubt neben sein Bett.
In genau diesem Moment klopfte es an seiner Zimmertür.
„Ja?“
Die Tür öffnete sich ein wenig und seine Mutter spähte hinein. „Dorothee hat angerufen. Sie kommt in einer Stunde vorbei.“ Dorothee. Heute hatte sie doch ihr Testergebnis erfahren.
„Wie klang sie?“
„Leider hat sie nichts gesagt!“
Das konnte nichts Gutes bedeuten. Maximilian wollte aufspringen und gegen das Bett treten. Sicher hätte sie es seiner Mutter erzählt, wenn das Ergebnis negativ wäre. So ein Mist! Er musste sie sofort anrufen. „Ich komme gleich wieder“, sagte er und ließ Leon alleine zurück.
Auf dem Handy konnte er sie nicht erreichen. Auch das war kein gutes Zeichen. Sie liebte ihr Handy. Ihre Oma hatte ihr ein iPhone geschenkt. In der ganzen Schule hatten nur zwei das neueste Modell. Frustriert stampfte Maximilian zurück in sein Zimmer. Die Spucke blieb ihm weg und sein Herz setzte für einen Moment aus. Leon trank aus der Flasche, die er selbst benutzt hatte.
„Nein!“, schrie er entsetzt. Leon erschrak und ein Schluck Wasser geriet in die Luftröhre. Er hustete und spuckte minutenlang. Ein unheimliches Pfeifen erklang, wenn er versuchteLuft zu holen. Fast wäre er blau angelaufen und Maximilian war kurz davor, einen Notarzt zu rufen.
Wenig später hatte sich Leon jedoch erholt und sein Atem war wieder ruhig. Aber bei jedem Wort, das er sagte, krächzte er und immer wieder musste er husten.
„Bist du nun total durch? Ey, mich so zu erschrecken. Das war ganz schön krass.“
Jetzt oder nie. Maximilian nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Du
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