Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Schleife

Die rote Schleife

Titel: Die rote Schleife Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: edition zweihorn GmbH & Co. KG
Vom Netzwerk:
darfst nicht aus meiner Flasche trinken.“
    „Sag mal, haben dir die Tabletten dein Hirn eingeweicht? Oder bist du noch ansteckend?“
    Am liebsten hätte Maximilian mit „Ja“ geantwortet, aber er wollte seinem Freund die Wahrheit erzählen.
    „Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“
    „Klar!“
    „Das ist jetzt mehr als irgendein Alltagsquatsch. Ich meine es todernst, Leo. Wenn du nicht dichthältst, ist mein Leben im Arsch. Und unsere Freundschaft auch.“ Kleine Schweißperlen bildeten sich auf Maximilians Stirn.
    „Nur keine Panik, ich werde schon nichts verraten.“ Leon grinste.
    „Hör auf zu lachen, hier geht es echt um mehr.“ Leons Gesicht erstarrte.
    „Verdammt noch mal, ich habe HIV!“
    Kaum waren die Worte ausgesprochen, war es plötzlich totenstill. Selbst eine Fliege an der Wand wagte es nicht, sich zu rühren.
    „Heilige Scheiße!“, sagte Leondann und starrte auf die Sprudelflasche.
    Abwechselnd nach links und nach rechts um sich schauend suchte Leon nach etwas, woran er sich festhalten konnte. Seine Hände fingen an zu zittern.
    „Du hast sie wohl nicht mehr alle!“, schrie er Maximilian an. „Du lässt mich einfach so aus deiner Flasche trinken, ohne mich zu warnen?“ Leons Kopf war inzwischen rot angelaufen. Er holte ein Taschentuch und spuckte mehrmals hinein. Würgend versuchte er auch den Schleim in seinem Hals hochzuräuspern.
    „Dir kann nichts passieren, ehrlich!“ Maximilian hob seine Handflächen abwehrend nach oben. Aber Leon beruhigte sich nicht.
    „Ach ja? Und warum schreist du dann wie ein Irrer ‚Nein‘, wenn es so harmlos ist? Ich glaube dir kein Wort.“
    „Weißt du, wie es einem geht, wenn einen nur noch ein Gedanke verfolgt? Du bist HIV-positiv! Du bist HIV–positiv! Ich bin schon so kirre davon, dass mich selbst kleinste Harmlosigkeiten völlig aus dem Konzept bringen. Sorry echt, aber du musst mir vertrauen!“
    Leon spuckte erneut in sein Taschentuch. „Vertrauen? Wie lange weißt du das schon?“
    „Donnerstag.“
    Leon kniff die Augen zusammen und überlegte angestrengt. „Ich hab dich doch besucht. Warum hast du nichts gesagt?“ Dann schlug er sich gegen die Stirn. „Wir haben uns auch noch eine Kippe geteilt.“
    „Leo, zu der Zeit habeich das alles noch nicht gewusst. Der Arzt hat mir doch noch mal Blut abgenommen. Da ist es zufällig herausgekommen. Ich kann doch nichts dafür!“
    Voller Wut giftete Leon seinen Freund an. „Wenn ich mich angesteckt habe, kannst du sehr wohl was dafür. Und dann wirst du dafür zahlen, das verspreche ich dir.“ Leon sprang auf, schnappte sich seine Jacke und verließ das Zimmer. Maximilian lief hinter ihm her.
    „Leo, wir sind doch Freunde, jetzt warte.“
    „Freunde?“ Leon drehte sich vor der Haustür um und schaute Maximilian in die Augen. „Gewesen!“ Dann verschwand er auf der Straße.
    Maximilian starrte noch immer vergeblich auf den Punkt, wo er Leon zuletzt gesehen hatte. Seine schlimmsten Befürchtungen waren wahr geworden. Leon hatte die Flucht ergriffen. Niemals hätte er ihm von seiner Erkrankung erzählen dürfen. Warum hatte er sich denn die Geschichte mit der Leukämie ausgedacht? Aber er wollte um keinen Preis seinen besten Freund anlügen. Den er nun durch die Wahrheit verloren hatte. Klar, diese Wahrheit war hässlich und gemein, aber Teil seines Lebens. Dabei hatte er sie selbst noch nicht akzeptiert. Und er war sich nicht sicher, ob er es je könnte. Vielleicht hatte er diese Wahrheit gerade mal verstanden. Und nun? In seinen Augenwinkeln sammelten sich die ersten Tränen. Bald würde er gar keine Freunde mehr haben.
    Es dauerte Minuten, bis sich seinstarr gewordener Blick löste. Mit einer Faust schlug er gegen das Fensterbrett. So eine verdammte Kacke! Was sollte er nur machen? Sein Herz zog sich zusammen, schlug wie wild in seinem Brustkorb und suchte nach einem Ausweg. Stattdessen wurde alles nur schlimmer. Maximilians Atem beschleunigte sich, er begann förmlich zu hecheln. Konnte er nicht einfach umfallen und nie wieder aufwachen? Konnte er nicht endlich aus diesem verdammten Albtraum herauskommen? Er wollte nicht mehr. Soeben hatte er für immer seinen besten Freund verloren. Und einen neuen besten Freund würde es nicht mehr geben. Nicht mit dieser Erkrankung. Wer wollte sich schon mit ihm anfreunden, wenn er HIV hatte? Er selbst war sich doch kein Freund mehr.
    Durch das schnelle Atmen wurde Maximilian bald schwarz vor Augen. Er strauchelte rücklings, fiel mit

Weitere Kostenlose Bücher