Die Rote Spur Des Zorns
wollte gar nicht ins Bad! Ich musste mich dort verstecken. Und ich bin nicht betrunken. Ich hatte vier Cocktails. Oder fünf. Ich bin höchstens ein bisschen … beschwipst.«
Er lachte.
»Seien Sie nicht so herablassend!«
»Ich könnte praktisch Ihr Vater sein. Das gibt mir auch das Recht, Sie etwas herablassend zu behandeln. Und außerdem bin ich nüchtern – Sie nicht.«
Clare schnallte sich an, und während Russ Gas gab und auf die Seven Mile Road bog, öffnete sie mehrmals den Mund und holte tief Luft, als wolle sie über ihn herfallen. Nur fand sie anscheinend nicht den richtigen Anfang. Schließlich sagte sie: »Sie sind nicht alt genug, um mein Vater zu sein.«
»Im November werde ich neunundvierzig.«
»Bitte. Mein Vater ist achtundfünfzig.« Sie verschränkte die Arme.
Russ missfiel der Gedanke, dass er dem Alter ihres Vaters viel näher war als ihrem eigenen. »Was, zum Teufel, dachten Sie sich eigentlich, aus dem ersten Stock auf ein Vordach zu springen? Sie hätten sich den Hals brechen können.«
»Glauben Sie mir, auch mir wäre es anders lieber gewesen. Ich hatte die Absicht –« Sie hielt inne und überlegte eine Sekunde. »Offen gestanden, hatte ich keine Ideen wegen des Rückwegs aus Malcolms Zimmer. Ich hatte keinen Plan gemacht.«
»Ist ja ganz was Neues!«, sagte er halblaut.
Sie drehte sich auf ihrem Sitz zu ihm um. »Mal Wintour handelt mit Drogen«, erklärte sie. »Er bewahrt einen Vorrat davon in einem Koffer unter dem Bett auf. Der Mann, der bei ihm im Zimmer war, hat gesagt, das Zeug müsse eine Million wert sein.« Sie stieß reflexartig ihre Hände in den Haarknoten und löste ihn auf. »Verflixt.« Sie fummelte mit Haarklammern herum, um ihre Frisur zu retten. »Dass ich nicht mit im Zimmer war, bedeutet noch lange nicht, dass ich die beiden nicht hören konnte.«
»Na schön. Wahrscheinlich glauben Sie wirklich, Sie hätten diese Dinge gehört. Und ich gebe sogar zu, es könnte stimmen, dass Malcolm mit Drogen dealt. Aber trotzdem hilft mir Ihre bloße Behauptung nicht weiter.«
»Russ –«
Er hob eine Hand. »Lassen Sie mich ausreden. Ich setze Mark auf den Burschen an. Soll er ein bisschen Wintours Hintergründe durchleuchten, nachprüfen, ob irgendeine Verbindung zwischen ihm und einschlägig bekannten Drogenhändlern oder -käufern besteht.«
»Aber es geht um mehr bei der Sache . Ich glaube, er steht in Verbindung mit einem Mord.«
»Mit welchem?«
»Was heißt ›mit welchem‹? Mit dem an Bill Ingraham natürlich. Hat es – gibt es denn sonst noch einen?«
»Möglicherweise. Wir haben Chris Dessaints Leiche gefunden – der Typ, von dem ich Ihnen erzählt habe; der angebliche Rädelsführer dieser Bande, auf den McKinley die Schuld schiebt. Sieht aus, als hätte er eine Überdosis erwischt. Scheeler nimmt gerade eine Obduktion vor.«
»War nicht dieser Dessaint derjenige, der den anderen angeblich auch Drogen und Geld gab?«
»Genau.«
»Das passt ja alles perfekt zusammen!« Sie klatschte in die Hände. »Malcolm hat ihnen Drogen und Geld gegeben, und dieser Chris erledigte die Drecksarbeit. Mal machte in dem Zimmer so eine Bemerkung – ›Ich weiß, was man Ihnen gesagt hat‹. Klingt das nicht, als wäre noch ein Dritter beteiligt?«
»Ha.« Russ löste einen Moment seinen Blick von der bergigen Straße und sah zu Clare. »Und haben Sie gehört, wie er hieß, dieser andere?«
»Nein.« Sie biss sich auf die Lippen und schloss halb ihre Augenlider, als wollte sie sich auf eine Erinnerung konzentrieren. »Er sagte: ›Deshalb habe ich mich nicht darauf eingelassen.‹ Wegen des Geldes. Und Mal hat ihn ausgelacht. Danach gab er ihm … was immer es auch gewesen ist, und sagte, es sei zehntausend Dollar wert; er selbst werde einen entsprechenden Deal arrangieren. Dann könne der andere das Geld nehmen und sich absetzen. ›Bis Gras über die Sache mit Bill gewachsen ist‹ – genau so hat er sich ausgedrückt.«
Sie schlug ihre Augen wieder auf und sah zu Russ. »Was halten Sie davon? Haben Sie irgendeine Ahnung, wer das sein könnte?«
Russ richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. »Weiß nicht, ob man es direkt eine Ahnung nennen kann. Eine Möglichkeit vielleicht.« Er tippte mit zwei Fingern aufs Lenkrad. »Laut Elliott McKinleys Aussage war an den Überfällen ein Dritter beteiligt. Jason Colvin. Kein Vorstrafenregister. Wir wissen allerdings, dass er sich bei unserem örtlichen Gewalttäter-Grüppchen herumgetrieben hat. Mehr
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