Die Rote Spur Des Zorns
jeder Amateur besser hin. Sogar meine Mutter.«
Stottlemyre redete mit Clemens, der ihm offensichtlich widersprach. Jetzt kam auch der Catcher dazu. »Menschenskind, wir sind doch nicht bei der UNO. Schaff den Kerl da weg.«
Seine Mutter betrat das Wohnzimmer. Sie hatte das Telefon in der Hand, warf einen prüfenden Blick zu Russ und hielt dann das Sprechmikro zu. »Es ist Clare Fergusson«, flüsterte sie. »Angeblich etwas Dienstliches.« Sie reichte ihm den Apparat.
»Clare?« Seine Mutter blieb neben ihm stehen und schaute zu. Er runzelte die Stirn, dann scheuchte er sie weg. »Was gibt’s?« Russ sah kurz auf die Uhr an der Wand. »Es ist schon spät.«
»Tut mir leid«, antwortete Clare. »Hab ich Sie aufgeweckt?«
»Nein, ich will hier ja nicht übernachten. Ich habe nur ein bisschen rumgefaulenzt und Yankees gegen Los Angeles geschaut. Was gibt’s?«
»Ich bin auf Peggy Landrys Party.«
Er versuchte die üblichen Hintergrundgeräusche zu hören, wenn man aus einer fröhlichen Gesellschaft anrief. Nichts. »Ist aber ’ne stille Party!«
»Ich sitze in meinem Wagen. Ich kann nicht wieder dort rein.«
»Sie können nicht wieder rein? Clare, was faseln Sie da?« Ihm kam ein Gedanke. »Haben Sie getrunken?«
»Ja, aber das ist nicht der Grund, wes–«
»Sie wollen mit diesem Auto doch nicht etwa irgendwohin fahren?«
»Nein. Das heißt, vorläufig. Ich möchte warten, bis ich wieder fahrtüchtig bin.«
Er machte die Augen zu. Allmächtiger! »Okay«, sagte er, überdeutlich sprechend. »Sie steigen jetzt aus und geben jemandem Ihre Schlüssel. Dann bitten Sie Peggy Landry, eine Mitfahrgelegenheit für Sie zu arrangieren.«
»Muss ich es wiederholen? Ich kann nicht dort rein!« Ihr Flüsterton wurde schärfer. »Würden Sie mir gefälligst zuhören!«
Er schaltete das Spiel im Fernsehen aus. »Gut. Ich höre.«
»Ich bin heute Abend in Malcolms Zimmer gewesen. Hier. Bei Peggy.«
»Wer ist Malcolm?«
»Ihr Neffe. Der Exfreund von Billy Ingraham.«
»Sein Freund?« Russ erhob sich aus seiner Liege, als er die Bedeutung des Wortes erfasste. »Und Sie waren in seinem Zimmer? Was, zum Teufel, hatten Sie da zu suchen?«
»Das möchte ich Ihnen ja gerade erklären!«
Er schob seine Brille hoch und kniff sich in den Nasenrücken. »Schießen Sie los.«
»Ich hatte mit einem Gast über Peggys Geschäfte und über Malcolm gesprochen und fand es eine gute Idee, einmal nachzusehen, ob er bei Ingrahams Tod eine Rolle spielt – in seinem Zimmer nachzusehen, meine ich.«
»Wie viel hatten Sie getrunken?«
»Das ist unwichtig! Hören Sie. Malcolm weiß etwas über den Mord. Da bin ich ganz sicher. Und er handelt mit Drogen!«
Russ ging an seiner Mutter vorbei, die pedantisch Spendenbriefe faltete und kuvertierte, dabei aber auf jedes Wort lauschte. Er holte sich eine Limo aus dem Kühlschrank. »So, so.«
»Seien Sie nicht so herablassend. Ich weiß, was ich sage. Malcolm hat nämlich in seinem Zimmer mit jemandem gesprochen.«
Russ ging ruckartig in Habachtstellung. »Sie waren gleichzeitig mit diesem Typen im Zimmer?« Jetzt wurde auch seine Mutter hellhörig. Er warf ihr einen stirnrunzelnden Blick zu.
»Mit ihm und noch einem Mann. Der andere redete über Ingrahams Tod. Zumindest bin ich mir ziemlich sicher, dass es darum ging. Er hatte Angst. Und dann gab Malcolm ihm irgendetwas, irgendwelche Drogen.«
Russ stellte die Getränkedose ungeöffnet auf den Küchentisch. »Und? Wissen Sie, was für eine Droge die zwei genommen haben?«
»Nein, Sie verstehen mich falsch. Es war eine Art Bezahlung. Oder Rate. Ich habe es nicht direkt gesehen. Ich war ja im Badezimmer versteckt.«
Russ nahm seine Schlüssel von den Haken neben der Hintertür. »Sie waren im Badezimmer versteckt?«
»Ja. Dann ist der andere Mann, der sich solche Sorgen machte, gegangen, und Malcolm fing an, mit potentiellen Käufern zu telefonieren. Und einem Freund namens Poppy.«
Die Clare, die Russ kannte, sprach klar, zusammenhängend und logisch. Aber diese Räuberpistole … Er konnte nicht sagen, ob sie betrunken war, an Sinnestäuschungen litt oder einen Schlag auf den Schädel bekommen hatte.
»Er blieb auf dem Zimmer, hat telefoniert und im Hintergrund Musik laufen lassen. Aber ich musste weg, weil ich nur noch an eines denken konnte: dass ich tief in der Tinte sitzen würde, wenn ein Drogenbaron mich in seiner Duschkabine entdeckt, während er Ware an den Mann zu bringen versucht. Zumal wenn man seinen Tonfall gehört
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