Die Rote Spur Des Zorns
ging auf die Zehenspitzen, als die Muskeln und Sehnen seines Arms sich bis zum Zerreißen anspannten, aber die Faust in seinem Haar hielt ihn an seinen unsichtbaren Peiniger gepresst, der ihm eine Schmerzwelle nach der anderen durch den Leib jagte. »Ich habe Geld in meiner Kasse«, krächzte Todd mit dünner, verzweifelter Stimme. »Bitte, nehmt es euch einfach. Nehmt euch, was ihr wollt, und haut ab. Bitte.« Bei dem letzten Wort brach ihm die Stimme.
Mit festem Griff wurde er ein, zwei Mal an den Haaren nach oben gerissen. »’n paar von deinen Tritten haben echt wehgetan, du kleine Schwuchtel«, sagte der Unsichtbare hinter ihm. »Das wirst du mir büßen, und zwar schwer.«
»Hey, Mann, nehmen wir uns doch einfach das Geld. Hier gibt’s keine Alarmanlage oder so. Wahrscheinlich hat er ’n Haufen Kohle dort drin.«
»Halt’s Maul!«, sagte der Mann hinter Todd. »Du kennst die Abmachung. Es wird nichts geklaut.«
»Das merkt doch eh keiner.«
»Schnauze. Jetzt leg das verdammte Heft weg und hilf mir mit dieser Tunte.«
Todds letzter Gedanke, bevor all seine Gedanken weggefegt wurden, war, wie geschäftsmäßig sie klangen. Wie in Pulp Fiction . Nimm’s nicht persönlich. Nimm’s nicht persönlich. Nimm’s nicht –
7
I n ihrem Traum trieb Clare im Schlauchboot auf einem smaragdgrünen Teich. Die Umgebung sah so ähnlich aus wie ihr Lieblingsplatz im Wald, damals, nicht weit vom Haus ihrer Eltern, nur hatte dieser See Badewannentemperatur, und es gab viel mehr freien Himmel, so strahlend hell, dass es ihr noch vor den Augen flimmerte, selbst wenn sie sie zumachte. Das Boot drehte sich gemächlich im Kreis, während ihr Haar und ihre Füße ins Wasser hingen, und dann tauchte plötzlich ein Mann an die Oberfläche, in dem sie zu ihrer Freude Russ Van Alstyne erkannte. Lächelnd glitt er zu ihr heran, und seine Hände begannen warm und fließend wie das Wasser über ihren Körper zu streichen. Clare merkte, dass sie nackt war. Ein wunderbares Gefühl. Drüben am anderen Ufer ging die Alarmanlage eines Autos los, aber sie hörte nicht hin; sie beobachtete nur Russ’ Gesicht und Hände, während ihre Entspanntheit in angenehme Anspannung überging. Das Geräusch der Alarmanlage wurde nervenaufreibend. War das am Ende ihr Wagen? Clare versuchte, sich mit aller Macht auf das elektrisierende Gefühl in ihrem Körper zu konzentrieren, aber der schrille Ton war zu … verdammt … laut. Sie wurde wach, als das Telefon auf ihrem Nachtschränkchen klingelte, und warf sich auf die andere Seite des Bettes.
Lichtflecke von der Sonne draußen übergossen ihr zerknülltes Bettzeug.
»Großer Gott!«, sagte sie. Sie fühlte, wie ihre Wangen rot wurden. Mit einem tiefen Atemzug schnappte sie sich den Telefonhörer. »Ja bitte?«
»Reverend Fergusson?« Die Stimme klang wie die eines kleinen Mädchens, das mit den Tränen kämpfte.
»Ja. Ich meine, ja, am Apparat.«
»Ich bin’s, Trisha MacPherson.« MacPherson. Wie in »MacPherson und Engels«, der Trauung heute um vierzehn Uhr. »Ich fürchte … ich fürchte, unsere Hochzeit muss ausfallen.« Die Stimme des Mädchens wurde von Tränen erstickt. Clare rieb sich die Augen und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Trishas Verlobter hatte sie wohl sitzen lassen. Clare hatte ihm von Anfang an nicht über den Weg getraut. Bei ihren drei Vorgesprächen war er ihr ein bisschen zu höflich und beflissen erschienen. Der kleine Schleimer.
»O Trisha, das tut mir sehr leid.« Während Clare sich aufsetzte, versuchte sie, sich innerlich von dem grünen, grünen See loszureißen und ins Hier und Jetzt zu kommen. »Ich weiß, momentan ist das wie ein Weltuntergang, aber wenn jemand eine Verlobung auflöst, dann muss man sich realistischerweise fragen, ob er überhaupt reif –«
»Niemand hat eine Verlobung aufgelöst!« Unterdrückte Empörung klang aus Trisha MacPhersons Stimme. »Kurt steht in diesem Moment hier neben mir! Es geht um meinen Bruder Todd. Man hat ihn gestern Abend zusammengeschlagen. Er ist schwer …«
Trishas Stimme wurde von der eines jungen Mannes unterbrochen. »Reverend Fergusson?«
Clare war jetzt hellwach – ihre fließende Traumwelt war erstarrt. »Kurt? Was ist los?«
»Trishs Bruder Todd. Er wurde gestern Abend in seiner Videothek überfallen. Sein Bruder Tim hat ihn heute früh entdeckt, als er ihn daheim nicht erreichen konnte, und … Todd war bewusstlos. Tim rief sofort den Notarzt. Wir sind jetzt alle im Krankenhaus von Glens
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