Die Rote Spur Des Zorns
Chief wieder die MacPhersons ansah. »Wir werden in alle denkbaren Richtungen ermitteln, und wenn wir den Täter gefasst haben, wandert er schön lange in den Knast. Mrs. MacPherson, könnten Sie und Ihre Kinder mir vielleicht die Jungen nennen, die wegen Todd von der Schule verwiesen wurden? Ich wäre Ihnen sehr dankbar.«
Er zog ein kleines Notizbuch und einen Kugelschreiber aus seiner Brusttasche. Mrs. MacPherson spitzte nachdenklich die Lippen. »Na ja, da war Andy Poccala.« Sie sah zu ihren Kindern, als ob sie Bestätigung suchte. Tim und Trisha nickten. Clare verließ still ihren Platz, während Russ von den MacPhersons sämtliche Informationen sammelte, die er bekommen konnte.
Mr. MacPherson stand aufrecht da, aber seine Schultern hingen vornüber wie bei einem Mann, der müde vor Erschöpfung ist. Sein Blick war scheinbar gebannt auf eine Schauspielerin auf CNN gerichtet, die freudestrahlend über ihren neuen – den fünften – Ehemann plapperte.
Clare schob sich unauffällig näher und blieb entspannt neben Todds Vater stehen. »Wir sind bis über beide Ohren verliebt!«, frohlockte gerade die unglaublich junge Darstellerin auf dem Bildschirm. »Ich bin total glücklich!« Clare wartete.
»Ihre Kirche«, sagte Mr. MacPherson aus heiterem Himmel. »Tut die irgendwas, um Jungen wie Todd zu helfen?«
»Ihnen helfen? Inwiefern?«
»Sie wissen schon. Wenn ein junger Mann verwirrt ist. Damit er wieder normal wird. Das ist doch alles Prägung, äußere Einflüsse, so viel weiß ich vom Lesen. Man muss ihnen nur helfen, die richtigen Menschen kennen zu lernen.« Er riss seinen Blick von dem Bildschirm los und sah Clare an. Etwas Verzweifeltes lag in seinen Augen. »Ich weiß, er könnte aufhören … so zu sein, wenn er irgendwelche Hilfe bekäme. So wie bei den AA.« Er warf seiner Familie, die sich um Russ drängte, einen erbitterten Blick zu. »Die da taugen nichts.«
Clare ließ sich einen Moment Zeit mit ihrer Antwort. Dann sagte sie: »Ich habe von solchen Programmen gehört. Um Homosexuelle zur Heterosexualität zu bekehren. Aber St. Alban’s – und die Episkopalkirche insgesamt – bieten nichts dergleichen an. Meines Wissens können die Gruppen, die so etwas versuchen, langfristig nur sehr wenig Erfolge vorweisen.« Sie berührte ihn leicht am Arm. »Viel mehr Erfolg haben, glaube ich, Gruppen, die Eltern helfen, mit der sexuellen Orientierung ihres Kindes zurechtzukommen.«
Seine Augen blitzten einen Moment vor Wut auf. »Nur weil er so ist, hat man ihm gestern die Därme aus dem Leib geprügelt. Weshalb, zum Teufel, sollte ich das akzeptieren?«
»Weil man ihm gestern die Därme aus dem Leib geprügelt hat, nur weil er so ist. Wenn er sich hätte ändern können, glauben Sie, er hätte es dann nicht getan?«
»Ich wünsche mir schlicht und einfach, dass mein Kind normal wird. Ist das denn so schlimm? Heutzutage lässt sich doch jeder psychische Knacks behandeln, mit Medikamenten oder Therapiegesprächen. Warum dann nicht seiner?«
»Mr. MacPherson«, erwiderte Clare, »welche Art von Medikament oder Therapie könnte Sie vom Hetero-zum Homosexuellen verwandeln?«
Er sah sie an, und sie merkte, dass er nichts begriffen hatte. Mit einem Seufzer drehte sie sich wieder zu Russ um, der gerade ans Ende seiner Befragung kam. Er griff in seine Tasche und zog drei Visitenkarten hervor. »Falls Ihnen noch irgendetwas einfällt – selbst wenn Sie nicht sicher sind, ob es mit dem Fall in Zusammenhang steht, oder wenn Sie glauben, wir wissen es bereits –, rufen Sie an.« Er deutete Richtung Tür. »Ich komme später noch mal, wenn Todd aus der Narkose erwacht ist. Falls wir Glück haben, kann er seine Angreifer identifizieren, und den Rest erledigen die Anwälte. Also bis dann, die Herrschaften.« Er gab Mrs. MacPherson und Tim die Hand. »Vielen Dank für Ihre Mithilfe. Reverend Fergusson, dürfte ich Sie einen Moment draußen sprechen?«
Sobald die Wartezimmertür hinter ihnen zufiel, drehten Russ und Clare sich zueinander um. »Was haben Sie hier zu suchen?«, fragte er.
»Warum haben Sie nichts von Emil Dvorak erzählt?«, fragte Clare gleichzeitig.
»Ich wusste nicht –«, begann er, während Clare sagte: »Es waren doch –« Sie holten beide tief Luft.
»Warum haben Sie nicht –«, sagten sie.
Russ legte ihr seine Hände auf die Schulter und schüttelte Clare leicht. »Sie zuerst. Was haben Sie hier bei den McPhersons verloren? Kennen Sie Todd?«
»Ich sollte heute Nachmittag seine
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