Die Rote Spur Des Zorns
meinem Kofferraum.«
»Das kann Russ alles holen. Russell?«
»Zu Befehl, Ma’am.« Er hielt Clare eine Hand hin. »Schlüssel?«
»Oh, es ist nicht abgesperrt.«
Er schüttelte den Kopf. »Natürlich. Natürlich ist nicht abgesperrt.«
»Er meint, ich sollte mit dem Pfarrhaus und meinem Wagen vorsichtiger sein«, erklärte Clare, während Russ den Zwanzig-Kilo-Sack Hundefutter in den Hinterhof schleppte.
»Da hat er wahrscheinlich Recht. Wie meistens in solchen Dingen.«
»Ich weiß. Ich habe nur einfach das Gefühl, jemand, der so verzweifelt ist, dass er mich ausraubt, braucht die Sachen sowieso dringender als ich.«
Die Hunde sprangen ausgelassen um Russ herum und schnappten nach dem Spielzeug, das er in den Armen hielt. Als er es in den Hof schleuderte, fielen beide sofort über die Gummiknochen und Quietsch-Entchen her. Russ klopfte sich den Staub von den Händen und kehrte zu der Steintreppe zurück. »Ich sollte jetzt besser wieder los, Mom; ich bin im Dienst. Wir sehen uns dann Sonntag bei der Parade. Ich habe mich auch dieses Jahr wieder rumkriegen lassen, Streife zu fahren.« Er sah Clare an. »Wollen Sie mir in die Stadt nachfahren?«
Seine Mutter fasste ihn abermals an den Ohren und küsste ihn. »Lass dich bald wieder hier blicken, mein Süßer. Und gib auf dich Acht! An einem Feiertagswochenende sind viele Verrückte unterwegs.«
»Als ob ich das nicht wüsste. Tschüss, Mom. Und danke.«
»Vielen, vielen Dank, dass Sie auf die Hunde aufpassen, Mrs. … Margy. Bitte rufen Sie mich an, falls Sie mal eine Ablösung brauchen. Ich stehe im Telefonbuch.« Sie streckte ihre Hand aus, nur um von Mrs. Van Alstynes stürmischer Umarmung fast aus dem Gleichgewicht zu geraten.
»Ich drücke nie die Hand«, sagte die Ältere. »Ich drücke lieber die Leute.« Margy fühlte sich mollig und robust an und roch nach Elizabeth Ardens »Blue Grass«-Puder. »Irgendwann demnächst lasse ich Sie von Russ zum Abendessen hier raufbringen. Kochen dürfen Sie .«
Clare lachte. »Abgemacht!«
Während sie hinter den Lenker des Shelby rutschte, verschwand Margy um die Hausecke, und Clare hörte fröhliches Hundegebell. »Ihre Mom ist wirklich was Besonderes. Hätte ich nicht ganz erwartet.«
Russ lehnte sich an die Tür seines Streifenwagens und sah Clare ins Gesicht. »Mom ist wie die Spanische Inquisition in diesem alten Monty-Python-Sketch.«
»›No one expects the Spanish Inquisition!‹«, zitierten sie beide, und er lachte.
»Wirklich, ich bin ihr so dankbar. Jetzt kann ich Paul sagen, die Hunde sind in guten Händen.«
»Sie wollen ihn anrufen?«
»Ich weiß nicht genau, wie ich ihn erreichen kann. Ich habe ihm meine Nummer gegeben und ihn gebeten, er soll mich anrufen. Aber gehört habe ich natürlich bisher nichts.«
»Na, gegebenenfalls müsste mich das Krankenhaus ja informieren. Dann sage ich Ihnen auch Bescheid.«
»Was sollte denn das Krankenhaus …« Er beobachtete sie, als ihr die Antwort dämmerte. »Oh. Wenn Emil sterben sollte. Dann wird es ein Mordfall.« Er bejahte mit einem kurzen Nicken. Clare presste einen Moment ihre Lippen zusammen, und keiner von ihnen sagte ein Wort. Dann fragte sie: »Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte?«
»Alles keinen Pfifferling wert. Wir haben Fingerabdrücke genommen, aber keinerlei Übereinstimmung gefunden. Die Lackspuren sind das allergewöhnlichste Rot, das Chevrolet verwendet. Vorläufig setzen wir hauptsächlich auf den Wagen: ein roter Chevy, der kürzlich beschädigt wurde. Ich lasse Noble schon seit heute früh sämtliche Ersatzteilhändler und Autowerkstätten der Gegend überprüfen.«
»Und weiter nichts?«
»Weiter nichts. Das ist nicht wie bei Law & Order , wo man den Bösewicht schon vor der zweiten Werbepause kennt.«
»Russ …« Sie zögerte. »Aber wenn Ron Handler nun Recht hat? Wenn die Tat wirklich aus Hass geschah?«
»Das will ich, verdammt noch mal, nicht hoffen.« Er kniff sich seufzend in den Nasenrücken. »Kennen Sie den Unterschied zwischen einem normalen Gewaltverbrechen, wenn ich es einmal so nennen darf, und einem Hassdelikt? Der normale Täter attackiert jemand Bestimmten. Er ist wütend, handelt aus dem Bauch heraus, im Affekt, und damit basta. Wer aber jemanden angreift, weil er zu dieser oder jener Gruppe gehört …« Er seufzte. »Vielleicht hört der Täter erst auf, wenn es niemanden mehr zum Hassen gibt.«
6
O kay, denk bitte daran, dass du die Kerzen abholst und zu Mom und Dad rüberbringst?«
»Sollte
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