Die Rote Spur Des Zorns
erklärte das auch den fürchterlichen Zustand, in dem seine Knie waren.
»Chief! Hierher!« Sein Kopf schnellte in Richtung der Stimme. Bürgermeister Cameron winkte ihm von der Tribüne zu.
»Was gibt’s?«
»Ich möchte Ihnen ein paar Leute vorstellen. Kommen Sie hier rauf.« Während Russ die Treppe am einen Ende der Tribüne hochstieg, redete Jim Cameron weiter. »Russ Van Alstyne ist der beste Polizeichef, den wir je hatten. Er hat ein Vierteljahrhundert Erfahrung als Militärpolizist mitgebracht. Wir können von Glück sagen, dass es ihn am Ende seiner Streifzüge durch die halbe Welt wieder in seine alte Heimat zog. Russ, das hier ist Bill Ingraham, der Planer und Erbauer des neuen Freizeitbades, und das ist John Opperman, Bills Partner.«
Sie meinen, sein Geschäftspartner , dachte Russ in Erinnerung an das, was Stephen Obrowski gesagt hatte.
»Guten Tag, Mr. Opperman. Mr. Ingraham.« Der Mann in Freizeithose und Polohemd, der direkt einem Herrenmode-Magazin entsprungen schien, stellte sich als Opperman heraus. Ingraham war verblüffenderweise mehr wie irgendein beliebiger Zuschauer gekleidet und trug ein schäbiges Karohemd, in dem Russ’ Frau ihn nie aus dem Haus gelassen hätte. Nur hatte Ingraham natürlich keine Frau. Russ drückte ihm die Hand ein bisschen fester.
»Nennen Sie mich Bill«, sagte Ingraham. »Wie lange arbeiten Sie schon für die hiesige Polizei?«
»Fünf Jahre inzwischen. Meine Frau und ich sind nach meinem Abschied von der Armee hierher gekommen.« Wenn er Frauen kennen lernte, ließ er immer eine Bemerkung über Linda fallen. Das ging fast automatisch. Eine von diesen kleinen Gewohnheiten eines verheirateten Mannes. Jetzt tat er das Gleiche bei einem künstlich hochstilisierten Bauarbeiter. Weshalb? Um von Anfang an klarzustellen, dass er normal war? Verdammt, als hätte er es nötig, etwas zu beweisen! Dass er nicht schwul war, sah doch ein Blinder. Erst mit Verzögerung bemerkte er, dass Opperman ihn nach seiner Frau fragte.
»Hm? Nein, sie ist nicht da. Ich habe den ganzen Tag Dienst, deshalb ist Linda zu Besuch bei ein paar Freunden.« Natürlich sah auch Ingraham nicht schwul aus. Genauso wenig wie übrigens Emil Dvorak. Russ schüttelte den Gedanken ab und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch. Wenn er schon hier war, konnte er schließlich sein Teil für die Gemeinde tun. »Ich bin sicher, das hat Ihnen auch Bürgermeister Cameron schon gesagt, aber vielen Dank, dass Sie den heutigen Wettlauf sponsern. Es ist schön, dass es ihn wieder gibt.«
»Gute Nachbarschaft ist gut fürs Geschäft«, erwiderte Opperman. Er hörte sich an wie jemand, der zu viele Unternehmensratgeber gelesen und auswendig gelernt hatte.
»Genau«, bestätigte Russ. »Aber selber interessiert sich wohl niemand von Ihnen fürs Laufen?«
»John wollte mitmachen, aber ich habe ihn überredet, bei mir zu bleiben, damit ich den Leuten mal das menschliche Gesicht von BWI zeigen kann.« Ingraham sah Opperman grinsend an. Dieser Erbsenzähler war nicht gerade das beste Exemplar, um das menschliche Gesicht von irgendwas zu zeigen. Er verströmte die Herzlichkeit einer nassen Makrele, dachte Russ. »John ist in unserer Firma die Sportskanone«, fuhr Ingraham fort. »Im Sommer spielt er mit einer Paintball-Gruppe in den Wäldern, im Herbst ist er Kapitän einer Touchfootball-Mannschaft, im Winter führt er die Basketball-Liga und – was treibst du eigentlich im Frühling, John?«
»Rudern. Im Sechserteam.«
»Bitte, da haben Sie’s. Ich bin schon fix und fertig, wenn ich nur daran denke. Ich für meinen Teil halte es mit Robert Benchley. Sobald ich den Drang zu körperlicher Ertüchtigung verspüre, lege ich mich hin und warte, bis es vorbei ist. Und wie steht’s mit Ihnen, Chief? Polizisten müssen ziemlich fit bleiben, nicht?«
»Also, wenn Sie’s genau wissen wollen: Bei meiner letzten Routineuntersuchung sagte der Arzt: ›Herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Körper eines Achtundvierzigjährigen.‹ Darauf ich: ›Aber ich bin doch auch achtundvierzig.‹ ›Na bitte‹, hat er gesagt.«
Ingraham und der Bürgermeister lachten. »Nein, Spaß beiseite«, fuhr Russ fort, »es gibt nicht so viele Verfolgungsjagden, wie man von den Krimis her meinen könnte. Und wenn es eine Verfolgung zu Fuß ist, dann sind die hiesigen Kriminellen zum Glück meistens schlechter in Form als ich.«
»Die Verbrechensstatistik, die ich studiert habe, bevor wir für die Landry-Immobilien
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