Die Rote Spur Des Zorns
herumstehen und beten. Sie haben gemacht, dass Sie wegkommen, haben Meldung erstattet und uns geholfen, möglichst schnell vor Ort zu sein. So steigen unsere Chance, den Täter zu schnappen.«
»Oh.« Sie senkte ihren Blick.
»Als Sie hierher kamen, ist Ihnen da auf der Straße jemand begegnet? Vielleicht jemand, an dem Ihnen irgendetwas auffiel?«
»Sie meinen, jemand, der blutüberströmt war wie Banquos Geist? Nein.« Sie winkte ab. »’tschuldigung. Ja, auf der Church und der Main Street bin ich ein paar Leuten begegnet, aber nach dem Abbiegen in die Mill habe ich keinen Menschen mehr gesehen – auch kein Auto.«
»Okay, danke.« Er stand auf. Dabei schmerzten seine Knie vor Anstrengung. »Sie rühren sich nicht vom Fleck. Ich muss mit Lyle und dem Typen von der Spurensicherung reden; dann kümmern wir uns darum, wie wir Sie nach Hause bringen.«
»Wie geht es Ihrer Mutter?«, fragte sie völlig zusammenhanglos. »Konnten Sie sie freikriegen?«
»Die sitzt auf Nummer sicher, in der Frauenabteilung im Frauenflügel des Bezirksgefängnisses Washington«, antwortete er. »Damit scheidet sie als Verdächtige aus.«
»Russ! Das ist schrecklich, so über seine eigene –« Sie ließ unvermittelt von den Hunden ab, stand auf und sah sich kurz um. »Bei dieser Demo heute Nachmittag, da habe ich etwas gehört.« Sie blickte zu ihm auf. »Direkt nachdem Sie den Demonstranten befohlen hatten, sich zu zerstreuen. Ich wollte gehen und habe mich gerade durch das Gedränge gekämpft, da hörte ich jemand sagen: ›Nach heute Abend ist der kein Problem mehr.‹«
»Aha. Wissen Sie, es ist ganz normal, dass man im Anschluss an einen Mord alle möglichen dunklen Bedeutungen in Dinge legt, die –«
»Reden Sie nicht so, als wäre ich nicht ganz bei Verstand. Diese Stimme war unheimlich. Sie klang drohend. Ich bin wie angewurzelt stehen geblieben, um mich nach dem Sprecher umzusehen.«
Russ hob beide Hände. »Schon gut, schon gut. Ich sage ja nicht, dass Sie nichts gehört hätten. Aber auch das nützt uns nicht viel.« Lyle kam mit einer fragenden Geste auf ihn zu. »Um diese Uhrzeit müssen zweihundert Leute im Park gewesen sein. Mindestens. Der Betreffende könnte direkt an Ihnen, an mir, dem Bürgermeister und Officer Entwhistle vorbeispaziert sein, ohne dass sich das irgendwie feststellen ließe.« Lyle schlurfte behäbig auf sie zu. »Was gibt’s?«
Der Deputy bückte sich, kraulte Bob den Kopf und wurde mit einem Schwanzwedeln belohnt. »Doc Scheeler ist jetzt da, und Morin wartet, um allen verwertbaren Krimskrams einzusammeln. Dachte, Sie wären vielleicht gern dabei.«
»Ja, ich komme. Reverend Fergusson hat nichts Auffälliges gesehen.«
»Aber ich habe etwas gehört«, sagte sie.
Lyle zog seine buschigen grauen Augenbrauen hoch. »So? Na, großartig!«
Russ schüttelte den Kopf. »Nur keine Aufregung. Sie hat auf der Demo heute, nach dem Wettlauf, jemand mit bedrohlicher Stimme sagen hören: ›Nach heute Abend ist das kein Problem mehr‹.«
»Oh.« Lyle wandte sich an Clare. »Natürlich klingt so was unheimlich, aber helfen tut uns das eigentlich nichts.«
» Falls es Bill Ingrahams Mörder war, dann sagt es uns, dass es sich hier nicht um irgendeine Sexbekanntschaft dreht, die auf so schreckliche Weise endete. Diese Tat war geplant.« Clare verschränkte ihre Arme, als wolle sie die anderen herausfordern, das Gegenteil zu beweisen.
Lyle und Russ wechselten einen Blick. Dann fragte der Deputy: »Ingraham war schwul?« Russ nickte. »Na, das wirft ein anderes Licht auf die Dinge.«
»Ein verhängsnisvoller Sexkontakt, daran habe ich auch als Erstes gedacht«, sagte Russ zu ihm. »Obwohl ich glaube, Payson’s Park und die Umgebung des alten Friedhofs sind die einzigen Treffpunkte, wo wir schon Typen verjagt haben.« Er runzelte die Stirn und drehte sich wieder zu Clare um. »Woher wissen Sie über die Schwulentreffs Bescheid?«
»Ach, ich bitte Sie, Russ! Ich habe doch mein Leben nicht hinter Klostermauern verbracht! Als ich Lehrerin in Fort Tucker war, gab es dort ein Gebiet, wo Männer schnellen, anonymen Sex suchten. Mit anderen Männern. Auch dort ist ein Mord passiert; ein junger Bursche aus der Ortschaft. Zwei Soldaten, die Urlaub hatten, nahmen ihn mit und haben ihn anschließend totgeprügelt.« Sie sah von Russ zu Lyle und wieder zurück. »Aber wenn das, was ich heute Nachmittag gehört habe, Ingraham betraf –«
»Reverend, wahrscheinlich betraf es irgendjemandes Druck auf der
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