Die Rote Spur Des Zorns
Samthandschuhen angefasst. Ich sage Ihnen, dass Sie Ihre eigene Mutter ins Kittchen verfrachtet haben, beweist allen, dass Sie ein unbestechlicher Polizist sind.«
Russ sah ihn an. »Danke, Officer Freitag. Also, packen wir jetzt zusammen und verscheuchen wir diese Gaffer.« Er legte sich zum Schutz gegen das Scheinwerferlicht eine Hand über die Augen und blinzelte in die schrumpfende Menge. »Sieht aus, als wäre Durkee mit den Zeugenaussagen fertig. Sagen Sie ihm, er soll die Absperrung bis runter zum Fluss ziehen.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Momentan nimmt die Leitstelle von Glens Falls unsere Meldungen entgegen. Ich werde Anweisung erteilen, dass sie Davies und McCrea daheim anrufen. Dann können sie morgen bei Dienstbeginn gleich hier rauskommen. Und Sie kommen auch, Lyle.«
»Aber das bedeutet –«
»Überstunden. Ich weiß, ich weiß. Seien Sie trotzdem da.«
Das Schlittern von Reifen auf Gras und zwei Autoscheinwerfer veranlassten ihn, sich umzudrehen. Es war der Kleinbus von Channel 6 – gerade rechtzeitig, um die Story für die Dreiundzwanzig-Uhr-Nachrichten aufzuzeichnen. Russ schüttelte den Kopf. Sich mit der Presse herumzuschlagen, das war das Zweit-Unangenehmste an seinem Job, gleich nach dem finanziellen Rechenschaftsbericht vor dem Stadtrat.
Eine hübsche junge Blondine, die eher nach Kindergärtnerin als nach Reporterin aussah, glitt aus dem Wagen, hinter ihr ein wahrer Gorilla von Kerl, der mit schätzungsweise siebzig Pfund Kameraausrüstung beladen war. Sie berieten sich einen Moment – nach ihren Handbewegungen zu urteilen anscheinend darüber, was er aufnehmen solle. Dann entdeckte er Russ und Lyle, deutete zu ihnen, und die Reporterin lief ihnen entgegen, gefolgt von ihrem Kameramann.
»Soll ich das machen?«, fragte Lyle. Es gab nur zwei Sorten Cops, die gern mit der Presse sprachen: politische Ehrgeizlinge oder frustrierte Selbstdarsteller. Lyle, der Russ einmal erzählt hatte, dass er als Junge gern Buffalo Bob sein wollte, gehörte in letztere Kategorie. Er konnte ein »Kein Kommentar« zu einem zwanzigminütigen Wortschwall aufbauschen, ohne dass es jemand merkte.
»Nein, das übernehm ich schon selbst. Macht mir hier schnell alles dicht, ja? Ich möchte weg sein, wenn auch noch Channel 13 findet, die Story sei interessant genug für einen Bericht vom Tatort.« Falls es heute bei dieser einen Reportage blieb, dann brauchte er nur ein einziges Mal vor die Kamera. Nach den ersten Bildern vom Schauplatz kam er normalerweise mit telefonischen Stellungnahmen davon.
Lyle gab ihm ein Zeichen, dass er verstanden hatte, und ging Durkee holen, während die Reporterin an die Absperrung trat. Sie streckte eine Hand aus. »Sheena Bevin, WTYY News. Sind Sie Chief Van Alstyne?« Ihr Tonfall war eine eigentümliche Mischung aus melodisch und scharf, wie ihn anscheinend alle Fernsehreporter hatten.
Russ drehte sich um und kam zu ihr. »Richtig.«
Sie strich ihre weiße Bluse glatt und zupfte an etwas, das unter ihrer Marine-Windjacke festgeklammert war: ein Mikrofon in einer Halterung, dessen Schnur sie aufrollte und das sie ihm unter die Nase hielt. Hinter ihrer linken Schulter flammte der Kamerascheinwerfer auf. »Chief, wir haben gehört, dass hier heute Abend möglicherweise ein Mord stattfand. Was können Sie uns darüber erzählen? Wer ist das Opfer?«
Russ blieb direkt neben dem gelben Absperrband stehen, das in einem kaum wahrnehmbaren Windzug zitterte. Er hoffte verdammt schwer, dass es nicht regnete. Das Gebüsch im Dunkeln zu durchsuchen war ein Ding der Unmöglichkeit, und nach einem Wolkenbruch waren die Aussichten kaum besser. »Wir verschweigen den Namen des Opfers noch, bis wir seine Verwandten ermitteln und benachrichtigen konnten.«
»Also ist es Mord?« Das blonde Haar der Reporterin schien zu strahlen vor Interesse.
Russ hob seine Hände. »Ich gebe Ihnen sämtliche Informationen, aber bitte der Reihe nach. Wir erhielten heute Abend gegen neunzehn Uhr dreißig einen Anruf von einer Frau, sie habe eine Leiche gefunden. Deputy Chief MacAuley und Officer Durkee gingen der Sache nach, sicherten dann das Gelände und verständigten sowohl Sergeant Morin von der Spurensicherung der State Police sowie Dr. Scheeler, der zurzeit als Pathologe für uns arbeitet. Bei dem Tatopfer handelt es sich um einen männlichen Weißen mittleren Alters. Der Mord fand ungefähr eine Stunde vor Beginn des Feuerwerks statt, und wir ermitteln momentan in verschiedenen Richtungen. Wenn
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