Die Rote Spur Des Zorns
lässt sich die Wasserqualität nicht garantieren. Wir wollen ein Auffangbecken bauen, ihn von dem Gelände wegleiten und ’ne Mauer aus Naturstein vor den Wasserfall stellen, damit die Gäste ihn immer noch anschauen können. Wird wunderschön aussehen.«
Unten auf dem Arbeitsgelände standen ein Steinbrecher – eine massige, gedrungene Maschine – und ein Zementmixer zwischen wildem Felsgeröll und genug Sand-und Kalksäcken, um eine Sintflut einzudämmen. Der Weg, auf dem Ray und Clare sich befanden, führte in einem Bogen zu einer planierten Fläche zwischen Steinbruch und Bäumen hinab. Drei Kipplaster, flankiert von einem Bagger und einem Jeep, waren dort abgestellt. Clare nahm ihren Helm ab, um in der leichten Brise ihren Kopf zu kühlen. Ray hatte Recht: Es würde einmal wunderschön werden – falls man sich nicht um die krebserregenden Chemikalien sorgte, die um einen herumschwammen.
»Hey, da ist ja Leo Waxman«, sagte er und zeigte in die Richtung. Clare blinzelte. Sie konnte einen Mann erkennen, der auf ein paar natürliche Tümpel hinter einem Geröllfeld zuging. Mit seinen Shorts und seinem Rucksack sah er aus wie ein Wanderer. »Leo! Hey!« Ray marschierte den steilen Pfad so zügig hinab, dass Clare fast rennen musste, um nachzukommen. »’tschuldigung«, sagte er. »Sie haben doch nach dem PCB-Zeug gefragt? Dieses Stück Land hier ist in den Achtzigern vom Staat saniert worden. Leo Waxman kommt vom Bodenforschungsamt. Er hat das Ganze jetzt zwei, drei Mal auf Herz und Nieren überprüft, für die Baugenehmigung. Es ist einwandfrei. Ich würde mit meinen Enkeln hier schwimmen gehen« – Ray grinste Clare erneut an – »nur dass ich mir den Eintritt nicht leisten kann, wenn hier erst mal alles steht.«
Als sie sich dem Boden des Steinbruchs näherten, stieg ihr der eigentümlich trockene, stechende Geruch von Felsstaub in die Nase. »Hey! Leo!«, brüllte Ray noch einmal. Der Mann mit den kurzen Hosen stutzte, machte kehrt und begann, auf einem geröllübersäten Trampelpfad zu den Maschinen hinunterzugehen.
Leo Waxman war erstaunlich jung. Er trug einen Kinnbart und einen Pferdeschwanz, die eher an einen Studenten der höheren Semester als einen Staatsangestellten erinnerten. Er wischte sich die Hände an seinem zerknitterten, schweißfleckigen Shirt ab, rückte den Tornister auf seinen Schultern zurecht und streckte Ray die Hand entgegen. »Hallo, Ray. Was suchst du denn hier?«
»Führe gerade diese Lady herum. Leo, das ist Reverend Clare, äh …«
»Fergusson«, kam Clare ihm zu Hilfe.
»Leonard Waxman«, antwortete der junge Mann und gab ihr die Hand. Er sah kurz zu dem Weg am Steinbruch hinauf, um festzustellen, ob noch andere Touristen aus dem Wald auftauchen würden.
»Peggy Landry hat mir freundlicherweise erlaubt, mich umzuschauen. Und weil sie nicht da ist, dient Ray mir als Begleiter.« Mit hochgezogenen Brauen betrachtete sie Waxmans Rucksack. »Wie ich höre, sind Sie der amtliche Geologe für dieses Projekt. Was führt Sie her? Ihr Beruf oder Ihre Freizeit?«
Er rückte erneut die Last auf seinen Schultern zurecht. Clare konnte etwas klappern und klimpern hören. »Mein Beruf. Nehme gerade ein paar Boden-und Wasserproben.«
»Schon wieder?!«, sagte Ray. »Jesus, wie viele Proben will die Regierung denn noch haben?«
Waxman lächelte kurz. »Sie wissen doch, Fragen zu stellen gehört nicht zu unserem Job. Für uns gilt das Motto: ›Schweig und tu deine Pflicht!‹ Ich werde dafür bezahlt, ob ich es nun nötig finde oder nicht.«
»Ich dachte, die Untersuchungen wären alle abgeschlossen und das ganze Gelände saniert«, sagte Clare. »Die Proteste sollten den Stadtrat doch nur bewegen, dass er es noch einmal unter die Lupe nimmt.«
Waxman blinzelte. »Da haben Sie schon Recht. Wegen der Bedenken von Gemeindeseite führe ich hier ja ständige Kontrollen durch. Genau gesagt, hat mich sogar John Opperman darum gebeten. Falls die Sache neu aufgerollt wird.« Er musterte Clare misstrauisch. »Sie gehören doch nicht zu der Aktionsgruppe ›Sauberes Wasser‹, oder?«
»Ich? Keineswegs. Ich gehöre zur Episkopalkirche.« Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist reine Neugier. Ich bin letzten November nach Millers Kill gekommen und habe noch keinen richtigen Begriff von den Problemen hier.«
Waxmans reservierte Haltung lockerte sich ein wenig. Er nahm seinen Rucksack von den Schultern und stellte ihn ab. »Die liegen ziemlich auf der Hand, diese Probleme. Von Anfang der
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