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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Straße zum künftigen Algonquin-Freizeitbad war kaum mehr als ein splittbestreuter Feldweg, der jede Viertelmeile eine Serpentinenkurve beschrieb. Sie erinnerte Clare an den Weg zu einem Jagd-Camp. Als sie ans Ende gelangte, musste sie dreimal blinzeln, um ihre geistigen Vorstellungen mit dem in Einklang zu bringen, was vor ihr lag.
    Ein Gebiet von der Größe zweier Fußballfelder war kahl geschlagen, in vier Erdterrassen unterteilt und von der obersten gelb-orangen Lehmschicht befreit worden. Auch in den umliegenden Wald hatte man mehrere Schneisen und Lichtungen geschlagen, von denen aber alle außer den paar ersten durch dichte Bäume verdeckt waren. Clare sah Paletten voll Bauholz, abgepackt in durchsichtige Plastikfolie, und zahllose Eisenbetonträger, die auf den Beginn der Maurerarbeiten warteten. Kipplaster, Bagger, Bulldozer und ein halbes Dutzend andere Maschinen, deren Namen sie nicht kannte, durchsetzten das Gelände wie grasende Dinosaurier, aber hören konnte sie nur den Shelby, der nach der schweren Fahrt den Berg hinauf jetzt leise schnurrte. Nichts rührte und regte sich – der Platz schien regelrecht ausgestorben – bis auf ein Grüppchen Männer mit Bauhelmen, das vor einem langen Wohnwagen herumlungerte. Links stand eine ungeordnete Reihe Pick-ups, dazwischen ein, zwei protzige Sportwagen. Clare parkte neben einem Ford-Transporter mit einer Werkzeugkiste auf der Ladefläche und einem Gewehrständer an der Heckscheibe. Wahrscheinlich sind nicht viele Mitglieder des Sierra Clubs hier, dachte sie beim Aussteigen. Der Eindruck von Offenheit und klarem Himmel blendete einen fast nach dem Laubgewölbe, das die Straße umgab. Es roch gut nach Erde, Öl und frischem Zement, wie auf den kleinen Flugfeldern rings um den Wohnsitz von Clares Eltern, und trotz der heißen Sonne, die den Boden ausdörrte, wehte von den umliegenden Wäldern ein kühler Wind, der das Ganze erträglich machte. Clare steckte ihre Schlüssel ein und ging zu dem Wohnwagen hinüber.
    Als sie sich näherte, wichen die Männer ein wenig auseinander. Es waren fünf oder sechs Arbeiter in schmutzverkrusteten Jeans und abgerissenen T-Shirts, die die Logos von NASCAR-Rennen, Desiderata und einem Installationsbetrieb trugen. Einer präsentierte einen illustrierten Katalog von Sexpositionen auf seiner Brust. Alles in allem entschied sich Clare, den Desiderata-Typen anzusprechen. »Hi. Ich bin hier mit Peggy Landry verabredet. Können Sie mir sagen, wo ich sie finde?«
    »Weiß nicht«, antwortete der Mann. »Vor fünf Minuten war sie noch da, dann ist sie wieder weg.«
    »Sie gehören doch nicht zu Leo Waxman, oder?«, fragte der Typ im NASCAR-Shirt. »Vom Bodenforschungsamt?«
    »Nein«, erwiderte sie. »Ich wollte bloß mal einen Blick auf die Baustelle werfen. Peggy hat mir die Touristenführung versprochen.«
    Der Mann mit dem aufklärerischen T-Shirt grinste sie an und offenbarte dabei, dass er zwar alles über Sex wissen mochte, aber längst nicht so viel über Zahnhygiene. »Also, weil wir sowieso vorläufig alle beurlaubt sind, könnte ich Sie rumführen, Baby. Lust, meinen Bohrhammer zu besichtigen?«
    Der große Kerl in dem Installateurs-Shirt schlug ihm auf den Rücken. »Halt’s Maul, Charlie.« Er sah Clare an. »Sind Sie ’ne Freundin von Ms. Landry, Ma’am?«
    Clare betrachtete die Männer und lächelte unschuldsvoll wie ein Engel. »Ich bin Ms. Landrys Seelsorgerin«, antwortete sie, nicht allzu wahrheitsgemäß. »Reverend Fergusson von St. Alban’s.«
    Das lüsterne Grinsen des Sexfachmanns verblasste, und sein Blick schoss wild umher, anscheinend auf der Suche nach dem nächsten Mauseloch. Der Große grinste und klopfte ihm auf den Rücken. »Ha! Du Blödmann!« Er nickte Clare zu. »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Reverend. Ich bin Ray Yardhaas. Wie Charlie hier schon gesagt hat, sind wir seit zirka einer Stunde, direkt nach Ms. Landrys Abgang, beurlaubt. Wir warten bloß, ob wir heute noch mal arbeiten sollen oder ob wir heimgehen können. Wenn Sie hergekommen sind, um großartige Bauarbeiten zu sehen, dann fürchte ich, Sie haben Pech.«
    »Eigentlich interessiert mich eher das Gelände«, antwortete sie. »Auch wenn ich groß genug bin, um Freude an schweren Baggern oder Kränen zu finden.« Sie warf einen Blick auf den Wohnwagen, der nur das Büro der Bauleitung beherbergen konnte. »Erst heute früh hat Peggy zu mir gesagt, die Arbeiten liefen weiter wie gewohnt. Weshalb wurden Sie alle plötzlich

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