Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
Vom Netzwerk:
und Sträuchern und folgte ihm ein paar Meter. Der Zaun war an dieser Stelle zur Seite gezerrt worden, und Russ zog den spitzkantigen Maschendraht beiseite, um sich hindurchzuzwängen.
    Dahinter lag eine breite, verwilderte Wiese, die sanft zur gesichtslosen Rückwand einer Fabrik abfiel, der Kilmer Mill. Russ gab sich einen Ruck und eilte im Laufschritt auf das Backsteingemäuer zu. Keine Spur von McKinley. An der Ecke der Fabrik machte Russ Halt, lehnte sich an die kühle Mauer und griff nach dem Funksprechgerät an seinem Gürtel.
    Er holte tief Luft. »Fünfzehn null drei? Hier Van Alstyne.«
    Das Funkgerät erwachte knisternd zum Leben. »Mein Gott, Chief! Wo stecken Sie denn?«
    »Auf dem Gelände der Kilmer Mill. Äh« – er rief sich die Landkarte vor Augen – »am Westende.«
    »Wie sind Sie denn da gelandet?«
    »Abkürzung. Passt auf. Mit dem Wagen kommt ihr hier unmöglich her. Ich glaube, er ist in die Fabrik gerannt. Kann sein, dass er in der Falle sitzt. Die andere Seite grenzt an den Park. Wüsste zwar nicht, dass man irgendwie durchkommt, aber in der Mill Street ist ein Tor, und man könnte wahrscheinlich in den Kill springen. Ruft ihr über Funk ein Boot von der Flusspatrouille. Ihr selbst blockiert den Eingang in der Mill Street. Ich gehe jetzt dort rein.«
    »Keine gute Idee, Chief.«
    Er war auch nicht scharf darauf. »Die Gören hier aus der Umgebung hatten fünfzig Jahre Zeit, die Schlupflöcher in diesem Grundstück zu finden. Wenn man dem Kerl nicht direkt auf den Fersen bleibt, könnte er untertauchen.«
    »Haben schon gewendet. In spätestens fünf Minuten sind wir da.«
    »Nein, dann wäre die Straße unbewacht. Ruft Verstärkung – alle, die verfügbar sind. Aber riegelt die Straße ab, damit er nicht entwischen kann. Verstanden?«
    »Verstanden. Auch wenn mir die Sache nicht schmeckt. Fünfzehn null drei, Ende.«
    Russ stieß sich von der Mauer ab und inspizierte das umliegende Gras. Er war kein großer Fährtenleser – seine Jagdmethode bestand hauptsächlich darin, herumzulaufen und aus einer Thermoskanne Kaffee zu trinken –, aber selbst er erkannte die schwachen Abdrücke. Grün und elastisch, wie es war, würde das Gras sich in Minutenschnelle wieder aufrichten. Diesen Weg hatte McKinley also genommen. Russ pirschte an der Seite der Fabrik entlang und sah sich dabei nach einem Hinweis um, ob McKinley zum Fluss geflüchtet war. Da entdeckte er sie: eine rostige Feuerleiter, die mit Bolzen an dem roten Backstein befestigt war und von anderthalb Metern über dem Erdboden bis zu einem großen Fenster im ersten Stock führte – ein Relikt aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, als die Fabrik über ein Viertel der Stadtbevölkerung beschäftigte und »Sicherheit am Arbeitsplatz« in einem senkrechten Fluchtweg aus dem zweiten Stock bestand, sofern man überhaupt eines der Fenster erreichte, bevor Qualm und Flammen einen überwältigten.
    Russ trabte im Laufschritt dorthin, griff nach der untersten Sprosse und zerrte mit beiden Händen daran. Die Leiter quietschte, wackelte aber nicht, und es regnete auch keinen Backsteinstaub. Er schloss seine Finger um das Eisen, machte einen Klimmzug, zog die Beine an die Brust und rollte sich vornüber, bis sein Kopf nach unten hing und er seine Beine auf die Sprosse legen konnte. So verharrte er einen Moment und wartete, ob seine neunzig Kilo die Leiter lockern würden, aber die alten Bolzen hielten wacker – im Augenblick jedenfalls.
    Er hievte sich nach oben und begann hinaufzuklettern, ohne dass er zu Boden sah. Die sonnengebleichte Mauer war im Erdgeschoss und im ersten Stock von kleinen, granitgefassten Fenstern durchbrochen, gerade groß genug, um ein wenig Licht und Luft reinzulassen, aber keines davon war so nah, dass Russ sich daran festhalten könnte, falls die Sprossen unter seinen Füßen nachgeben oder der Backstein bröckeln würden. Er atmete tief durch und blickte auf. Das Fenster über dem Ende der eisernen Leiter stand weit offen.
    Er musste sich kopfüber hindurchschieben – eine grauenhaft angreifbare Position, bei der man sich vorkam wie eine Jagdtrophäe an der Wand. Ruckend und rüttelnd stemmte er sich hinein, machte eine Rolle vorwärts und blieb in der Hocke – so unelegant und so laut, dass er einen Moment erstarrte. Er atmete durch den Mund, als ob das einen Unterschied machen würde.
    Er befand sich jetzt auf einer hölzernen, mit einem Geländer versehenen Plattform, die um die gewaltige, unten liegende

Weitere Kostenlose Bücher