Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
Vom Netzwerk:
Unterlagen vom Tisch ein. »Ich werd mal ein Wörtchen mit ihm reden.«
    »Chief, er hat seinen Anwalt verlangt.«
    »Ich will ihn ja auch nicht verhören. Ich will mit ihm reden .« Lyles Gesichtsausdruck brachte ihn unwillkürlich zum Grinsen. »Keine Sorge. Ich werde seine Rechte nicht verletzen. Ich möchte ihm nur einen Vorgeschmack davon geben, was ihn erwartet.«
    Das Polizeirevier von Millers Kill stammte aus jenen Zeiten, als Verdächtige am Eingangsschalter registriert und ohne viel Rücksicht auf deren verfassungsmäßige Rechte in den Zellen des Untergeschosses verhört wurden. Heute enthielt der alte Zellentrakt eine Asservatenkammer und ein Munitionsdepot, und Verdächtige wurden in einem großen, fensterlosen Raum befragt. Nachdem Russ die Tür geöffnet hatte, nickte er Noble Entwhistle zu, der an die Wand gelehnt Elliott McKinley bewachte.
    McKinley saß auf einem Stuhl, an dem man seine Füße mit Handschellen befestigt hatte. Davor stand ein rechteckiger Stahltisch, der wie sechs andere Stühle mit Bolzen im Boden verankert war. Bei Russ’ Eintreten blickte der Festgenommene von seinen Handgelenken auf. »Kann ich ’ne Zigarette haben?«, fragte er.
    »Später vielleicht«, antwortete Russ. Er warf die Unterlagen auf den Tisch und rutschte auf einen der Stühle. Seine Knie begannen zu pochen – ein starker, intensiver Schmerz, der sich im Lauf des Tages noch mehr verstärken würde.
    »Ich habe gehört, im Bezirksgefängnis wäre neuerdings Rauchen verboten.«
    »Richtig. Es ist Nichtraucherzone. Das Land will nicht, dass sich jemand in seinem Gewahrsam Lungenkrebs holt.«
    »Mann.« McKinleys Hände zuckten. Sein Gesicht war zerfurcht und ledrig wie die vorzeitig gealterte Haut eines Mannes, der seit seiner Kindheit trank und qualmte. Obwohl er sich mit Händen und Füßen gegen seine Verhaftung gewehrt hatte, schien er jetzt nicht feindselig oder verstockt, sondern ergeben in sein Schicksal, das womöglich eine lebenslange Pechsträhne war.
    »Ich höre, Sie haben Geoff Burns verlangt«, sagte Russ. »Wie kommen Sie auf den?«
    »Durch ’nen Freund von mir. Burns hat für ihn eine Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer abgeblockt, und außerdem war er mit ’ner Bezahlung auf Raten einverstanden, weil mein Kumpel nicht die ganze Kohle griffbereit hatte.« McKinley runzelte die Stirn. »Weshalb fragen Sie?«
    »Habe mich nur gewundert. Ich kenne Geoff. Er und seine Frau führen ja so eine Art Allgemeinpraxis – Scheidung, Schmerzensgeld für Hundebisse, hier und da mal ein Fall von Trunkenheit am Steuer, et cetera. Ich hätte eher gedacht, Sie wollten ’nen Strafverteidiger. Nachdem Ihnen eine Anklage wegen Mordes blüht.« Er hatte vorläufig nicht das Gefühl, McKinley darüber aufklären zu müssen, dass normalerweise ein Pflichtverteidiger gestellt wurde, wenn es um die Todesstrafe ging.
    McKinley wich die Farbe aus dem Gesicht. »Was?«, krähte er und sah mit wildem Blick zu Noble, der starr an der Wand lehnte. »Von Mord war nicht die Rede! Es hieß ›Überfall‹!«
    Russ sah kurz auf seine Unterlagen. »O ja, das auch. Zwei Fälle von schwerer Körperverletzung, verbunden mit Raub. Diese Videothek wollten Sie ja wohl ausräumen.«
    »Nein, wollten wir nicht!«
    Russ fühlte einen elektrischen Schlag seinen Körper durchströmen. Ja, weiter so! Er zwang sich, entspannt zu bleiben, und blickte nicht von seinem Papier auf. »Widerstand gegen die Staatsgewalt, tätlicher Angriff auf die Polizei, Hausfriedensbruch – das Eindringen in der Fabrik –, ferner ein Haftbefehl, weil Sie sich nicht bei Ihrem Bewährungshelfer gemeldet haben, drei unbezahlte Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung, Unterhaltsschulden beim Jugendamt in Höhe von fünfzehntausend Dollar« – an dieser Stelle machte Russ: »Ts, ts, ts« – »sowie der Vorwurf des vorsätzlichen Mordes an Bill Ingraham, den wir gegen Sie erheben.« Er sah zu McKinley auf. »Und falls Sie schwarz gearbeitet haben, um diese Unterhaltszahlungen zu vermeiden« – sein Tonfall war ruhig und nüchtern – »dann kriegen Sie vielleicht auch noch Ärger mit dem Finanzamt.«
    McKinley versuchte aufzustehen, fiel wegen der Fußfesseln aber nur quer über den Tisch. »Mit einem Mord habe ich nichts zu tun! Ich hab Bill Ingraham kein Haar gekrümmt!«
    Russ lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Das können wir leider nicht näher erörtern, Elliott, denn Sie müssen ja offenbar Ihren Anwalt hinzuziehen.« Er nahm seine Brille ab und

Weitere Kostenlose Bücher