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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Tragweite. Das werde ich jetzt nachholen.«
    Corlew setzte erneut zum Sprechen an, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Wir werden eine Pfarrgemeinderatssitzung abhalten. Wir haben uns schon seit Mai nicht mehr vollzählig getroffen. Wir wollen darüber reden, was das Leben in einer Gemeinde bedeutet, wo Schwulenhass sich bis zu Verbrechen steigert, und was wir als Christen dagegen tun können.«
    »Sie werden unmöglich alle zusammenbekommen, nicht im Juli. Lacey Marshall und Sterling sitzen gemütlich auf ihrem Campingplatz am Lake George und kommen garantiert nicht vor September zurück. Und Norm Madsen ist auf einer von diesen Seniorenreisen in Griechenland; der klaubt wahrscheinlich gerade alte Tonscherben auf.«
    »Aber Sie und Terry sind doch da, nicht?«
    »Wir verkörpern wohl kaum den ganzen Pfarrgemeinderat. Und Terry hat diese Woche Urlaub. Ich wollte mit ihm segeln gehen –«
    »Na schön, segeln wir. Wo liegt Ihr Boot?«
    »Was? Wo? Am Lake George natürlich. Aber –«
    »Wunderbar. Dann treffen wir uns am See und besprechen die Sache entweder bei Mrs. Marshall oder bei Sumner im Sommerhaus oder – wie groß ist Ihr Boot?«
    »Zweiundvierzig Fuß. Heißt das, Sie schlagen eine Pfarrgemeinderatssitzung zu Wasser vor?«
    »Natürlich! Auf die Art wird niemand aus seinem sommerlichen Vergnügen gerissen.«
    Einen Moment lang herrschte Totenstille. Dann sagte er: »Das ist wieder ein Witz, stimmt’s?«
    »Nein, der Propagandaritt für Transsexuelle war ein Witz. Das ist ein Vorschlag. Die Alternative wäre, dass wir jeden zu einer schönen langen Sitzung hier im Gemeindezentrum auffordern, ohne Klimaanlage. Ich will dieses Thema nicht einzeln am Telefon diskutieren. Das bringt uns nirgendwohin. Und dieses Problem muss jetzt auf den Tisch, nicht erst im September. Wann sind Sie mit Terry verabredet?«
    »Am Freitag«, antwortete er.
    »Hervorragend! Freitag passt. Da habe ich vormittags ein paar Hausbesuche und die Mittagsmesse um zwölf, aber den Rest des Tages habe ich frei. Hören Sie, ich stelle Sie jetzt wieder zu Lois durch. Der sagen Sie Bescheid, wann und wo wir uns an Ihrem Boot treffen, sie verständigt dann alle andern. Es freut mich, dass Sie angerufen und diese Sache zur Sprache gebracht haben, Robert. Das wird klären helfen, wo wir als Kirche stehen.«
    »Reverend Clare …« Sie hörte knirschende Geräusche vom anderen Ende der Leitung.
    »Ja, Robert?«
    Noch mehr Geräusche. Zu guter Letzt stieß er hervor: »Also bis Freitag.«
    »Ja, bis dann. Wiederhören.« Und sie legte auf, noch bevor er etwas einwenden konnte.
    Sie bekam die unterschiedlichen Persönlichkeiten ihres Pfarrgemeinderats allmählich in den Griff. Robert Corlew war ein Despot mit guten Absichten, der nicht zögerte, sein stimmgewaltiges Organ und sein brüskes Gebaren als Waffe zu gebrauchen. Sie musste an Sergeant Ashley »Hardball« Wright denken, ihren Überlebenstrainer im Luftwaffenstützpunkt Egeland, der ein Meister darin gewesen war, anderer Leute Waffen gegen sie selbst zu richten. Wenn Sie feststellen, dass jemand Sie mit einer Kanone verfolgt, dann merken Sie sich: Das ist nicht seine Kanone, das ist Ihre!
    Clare drückte auf eine Taste. »Lois? Mr. Corlew ist in der Leitung. Wir halten Freitag eine improvisierte Pfarrgemeinderatssitzung auf seinem Boot ab. Notieren Sie, wann und wo wir uns treffen, und dann verständigen Sie alle, die noch im Lande sind. Möglicherweise versucht er sich rauszuwinden. Lassen Sie sich nicht abwimmeln.«
    »Das könnte dem so passen!«, antwortete die Sekretärin. Clare legte auf und betrachtete das Fenster vor ihrem Schreibtisch mit einer Miene der Selbstzufriedenheit. Wenn Sie mit einem Fossil fertig wurde, dann auch mit den andern.

    An diesem Nachmittag machte sie ihren allwöchentlichen Krankenhausbesuch, aber sie hätte ohnehin einmal bei Todd MacPherson vorbeigeschaut. Sie setzte sich eine Zeit lang zu Mrs. Ellis, die ihr zweites Hüftimplantat bekommen sollte, und zu Mrs. Johnson, die nach einer Gebärmutterblutung für eine Biopsie fällig war. Die Siebzigjährige hatte bereits Diabetes, Bluthochdruck und besaß einen Herzschrittmacher, aber ihre Operationsärztin, eine sympathische Frau in Clares Alter, gab sich fröhlich und optimistisch. Erst als sie mit Clare unter vier Augen sprach, wirkte sie viel zurückhaltender. Die ungeschminkte Wahrheit über Mrs. Johnsons Chancen zu hören versetzte Clare in eine gedrückte Stimmung. Dann betrat sie Todd MacPhersons

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