Die Rote Spur Des Zorns
aus den Segeln nehmen, bevor er sich von ihrem Schlag wieder erholte.
»Äh … Sie wissen ja, wie das ist – Sommer, Besuch von den Enkelkindern, Gäste im Haus, Segeltouren. Und das Geschäft kennt keine Ferien.« Sie hörte, wie er sich zusammennahm. »Ich rufe wegen des Artikels heute in der Zeitung an.«
»Ja. Ich hab ihn bereits gesehen. St. Alban’s wird auch genannt. Schon bemerkt? Wir machen uns langsam wirklich einen Namen.«
»Genau darum geht’s. Ich finde nicht, dass wir uns diesen Namen mit Geschichten über Schwule machen sollten, die auf der Suche nach anonymem Sex ermordet wurden!«
Clare lehnte sich in ihrem altmodischen Schreibtischsessel zurück. Er reagierte mit einem befriedigenden Knacksen. »Sprechen wir da von dem gleichen Artikel? Der, in dem von den Überfällen auf einen Arzt und einen Videothekenbesitzer sowie von dem Mord an einem renommierten Unternehmer die Rede ist?«
»Einem Mord in den Büschen von Payson’s Park. Ja, genau der Artikel. Ich bin ebenso fähig, zwischen den Zeilen zu lesen wie jeder andere. ›Homosexuell‹ plus ›dunkler, entlegener Parkabschnitt‹, das kann nur eins heißen.« Seine Stimme senkte sich zu einem vertraulichen Tonfall. »Hören Sie, ich verstehe ja. Sie waren zufällig dort; darum ist Ihr Name in die Zeitung gerutscht. Daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern. Aber woran ich denke, ist Schadensbegrenzung. Ich möchte einfach sichergehen, dass Sie nicht in etwas verwickelt werden.«
»›In etwas verwickelt‹?« Clares Vorsatz, Robert Corlew mit launiger Ironie zu behandeln, geriet unter dem Druck seiner Äußerungen ins Bröckeln. »Würden Sie mir das bitte näher erklären?«
»Reverend Clare, wir können es uns nicht leisten, dass der Name von St. Alban’s mit weiteren … Skandalen in Verbindung gebracht wird. Nicht nach letztem Dezember. Ich kenne Sie inzwischen. Ich weiß, wie Sie sein können, wenn es um eines Ihrer kleinen Lieblingsprojekte geht. Die Gruppe für minderjährige Mütter. Die Gruppe für alte Säufer. Nicht wahr? Lassen Sie das alles mal auf einer Zeitungsseite zusammenkommen! Natürlich ist es bedauerlich, dass Homosexuelle von Schlägern überfallen werden, aber das hat nichts mit uns zu tun, und ich spreche sicher für den ganzen Pfarrgemeinderat, wenn ich sage, wir wünschen uns aufrichtig, Sie nicht mehr in den Schlagzeilen zu sehen, es sei denn mit dem alljährlichen Artikel über den Sinn von Ostern.«
Clare fühlte, wie der Hörer in ihrer Hand feucht wurde, und merkte, dass sie ihn zu fest gepackt hatte. »Sie meinen also, ich sollte nicht nackt durch die Straße reiten und Lesben, Schwule und Transsexuelle zum Besuch unserer ökumenischen Gottesdienste auffordern?«
Eine bedeutungsschwere Pause trat ein. »Das ist hoffentlich ein Witz?«
»Robert, wollen Sie mich absichtlich beleidigen, oder ist es bloß Gedankenlosigkeit? Meine ›kleinen Lieblingsprojekte‹? Glauben Sie wirklich, die hätten nichts mit uns zu tun? Seit wann geht es unsere Pfarrgemeinde nichts an, wenn in ihr Hass und Vorurteile ausbrechen?«
Sie konnte ihn stöhnen hören. »Ich hab’s gewusst. Ich habe es schon zu Terry Wright gesagt. Ich sagte, für Sie wäre das wahrscheinlich ein gefundenes Fressen – die Schwulenemanzipation.«
»Sie haben mit Terry Wright über mich gesprochen?« Terence Wright, Stellvertretender Direktor der Abteilung für Firmenkredite bei AllBanc, saß ebenfalls im Pfarrgemeinderat. »Mit wem noch?«
»Zwischen einzelnen Gemeinderatsmitgliedern gingen ein paar Telefonate hin und her. Man erörtert die Situation, bringt Sorgen und Bedenken zum Ausdruck.«
Die unterkühlte Stimme. Clare verdrehte die Augen. »Sie machen mich neugierig. War Sterling Sumner auch an diesen Gesprächen beteiligt?«
»Nein, mit dem ergab sich noch keines.«
»Ha!«
»Was heißt ›Ha‹?«
»›Ha‹ heißt, dass er der einzige Homosexuelle im Pfarrgemeinderat ist.«
»Sterling ist doch nicht homosexuell! Er ist einfach eine Künstlernatur!«
»Um Gottes willen, Robert! Glauben Sie, er trägt jahraus, jahrein diesen Schal, weil er friert?«
Der gut fünfundzwanzig Jahre ältere Bauunternehmer, der Sumner offenbar für einen harmlosen Paradiesvogel hielt, blubberte in der Leitung.
»Hören Sie«, fuhr Clare fort, »ich war besorgt um die möglichen Konsequenzen der Überfälle auf Dr. Dvorak und Todd MacPherson. Aber ehrlich gesagt, habe ich mich von den Ereignissen hinreißen lassen. Ich begriff nicht die gesamte
Weitere Kostenlose Bücher