Die Rueckkehr
bei ihr am Virtue Place meine ich. Habt ihr den?«
»Ja. Haben wir. Das ist jetzt etwas schwierig, Kate … Lemon und du, ihr habt gesagt, ihr hättet unter dieser Weide ein paar von Raineys Sachen gefunden?«
»Ja. Von Axel auch. Wir haben sie dort gelassen.«
Wie an einem Tatort, wenn man nichts anrühren will , dachte sie.
»Gut … sie waren noch da, als wir den Ort gesichert haben. Ich wollte nur sagen: Das habt ihr richtig gemacht. Respekt. Nicht dass jemand glauben würde, Rainey oder Alex hätten irgendetwas … dass sie das Auto dort gesehen haben könnten oder so. Darauf gibt es doch keine Hinweise, oder?«
»Nein. Überhaupt keine«, sagte Kate und merkte, dass sie inzwischen weniger wie Axels Tante und Raineys Vormund dachte und mehr wie eine Anwältin der Verteidigung.
»Haben Rainey oder Axel jemals erzählt, dass sie Zeit am Pattons Hard verbringen?«
Jetzt hatte die Anwältin der Verteidigung ganz übernommen, und auch wenn sie sich dafür hasste, musste sie ihre Antwort auf Tigs Frage genau abwägen, und sie war sich ziemlich sicher, dass ihre Vorsicht Tig nicht entgehen würde.
»Sie haben von Pattons Hard erzählt und warum sie dort hingehen.«
»Nichts Auffälliges?«
Stimmen in den Weiden.
Gefälschte Nachrichten einer toten Mutter.
Alice Bayer war im Sekretariat der Schule für die Anwesenheit zuständig.
»Nein. Überhaupt nichts.«
Tig schwieg kurz.
»Okay. Na, ich bin dann bald da, mit Nick. Falls Lemon sich meldet, sagst du mir Bescheid, ja? Ich will wissen, ob es dem Jungen gut geht.«
»Danke, Tig. Wie gesagt, sie haben heute die Schule geschwänzt, und Rainey weiß, dass wir Bescheid wissen. Ich glaube, er will sich einfach der Konfrontation nicht stellen. Du weißt ja, wie Jungs sind.«
»Ja«, sagte Tig mit leise grollendem Kichern. »Ich habe ein ganzes Revier voll davon. Und sie sind bewaffnet.«
»Hast du Leute bei Beau?«
»Nur das halbe CID , den größten Teil der Polizei von Niceville, Marty Coors von der State Police, Jimmy Candles, Mavis Crossfire und deinen Bruder Reed und Boonie Hackendorff. Ansonsten ist hier keine Menschenseele.«
»Kannst du Reed bitten, mich anzurufen, sobald sie wissen, wie es Beau geht?«
»Mache ich. Cool bleiben, Kate. Alles wird gut.«
Er hatte aufgelegt.
Kate saß da und starrte den Fernseher an, ohne etwas zu sehen, und ihre Gedanken folgten mehreren verschlungenen Pfaden. Als vierzig Minuten später ihr Telefon klingelte, hatte sich daran noch nichts geändert. Lemon Featherlight war am Apparat. Er rief aus seinem Auto an. Im Hintergrund konnte sie Sirenen hören. Er hatte Rainey gefunden.
Zehn Minuten vor Mitternacht war Lemon Featherlight ganz oben am Upper Chase Run gewesen. An der Haltestelle am Rondell stand die letzte Peachtree-Straßenbahn, am Pult saß eine Fahrerin – eine hübsche junge Frau mit tollem Knochenbau – und schrieb etwas auf ein Klemmbrett. Als das Scheinwerferlicht ihren Waggon streifte, blickte sie auf, musterte ihn kurz – gefährlich? eher nicht – und senkte den Blick dann wieder auf das Klemmbrett.
Die Beleuchtung der Haltestelle warf einen gelben Glanz auf die ersten Stufen der Treppe und die Fassaden der beiden letzten Häuser an der Straße, die dunkel und schweigend im Baumschatten standen.
Jenseits des Lampenscheins am Rondell türmte sich Tallulahs Wall auf und verschwand in der Finsternis, abgesehen von einem kleinen Diadem aus Lampen, die den obersten Treppenabsatz begrenzten.
Lemon parkte seinen Pick-up neben der Straßenbahn und klopfte ans Fenster der Fahrerkabine. Sie sah ihn sich genauer an, zögerte, dann kurbelte sie das Fenster einen Spalt weit herunter, denn gutaussehende junge Männer mit meeresgrünen Augen und etwas von einem Piraten an sich waren nicht immer unbedingt nett.
»Ja bitte? Was kann ich für Sie tun?«
»Ich suche nach einem Jungen, vom Aussehen her zwölf, lange blonde Haare, große braune Augen …«
»Wie ein Backenhörnchen aus einem Comic? Von der Regiopolis? War mit einem anderen Jungen aus der gleichen Schule unterwegs, jünger, braune Haare, auch mit diesen Disney-Backenhörnchen-Augen?«
»Stimmt genau. Rainey Teague und Axel Deitz.«
»Deitz? Irgendwie mit dem Typen verwandt, den sie gerade drüben in der Galleria abgeknallt haben?«
»Ich fürchte ja.«
»Oje. Ich hätte etwas unternehmen sollen. Die beiden sind nicht zu Hause angekommen?«
»Axel ist vor zwei Stunden nach Hause gekommen. Hat sich von hier ein Taxi gerufen, aber Rainey
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