Die Rueckkehr
vielleicht nicht möglich sein. Kannst du dich noch an eine gewisse Leah Searle erinnern, Reed?«
»Der Name kommt mir bekannt vor. Das war die Anwältin, die Miles engagiert hatte, um den Papierkram für Raineys Adoption zu erledigen.«
»Ich habe sie gekannt. Wir sind einander begegnet, als sie gerade anfing, für Miles zu arbeiten. Sie war eine fähige junge Frau. Zu Anfang war unsere Beziehung rein beruflich. Ich habe ihr im Archiv und mit den Kirchenbüchern geholfen. Die ungelösten Fragen waren kompliziert und die Aufzeichnungen völlig ungeordnet. Wir blieben hartnäckig. Und wir sind gescheitert. Mit der Zeit wurde uns beiden klar, dass Raineys Geburt in keinem verfügbaren Archiv und keiner Datenbank verlässlich belegt war.«
Sie wies mit einer ausladenden Geste auf die vielen Bände auf dem Tisch.
»Du ruinierst dir die Augen, wenn du das alles durchgehst, Reed, und gehst so verwirrt wieder weg, wie du angekommen bist. Du weißt, dass Leah Searle tot ist?«
»Sie ist ertrunken, soweit ich weiß.«
Miss Beryl hob eine Augenbraue und lächelte.
»In der Badewanne. Ein Unfall , hat man uns erzählt.«
Reed blickte sie an.
Sie wich dem Blick nicht aus.
»Wir kommen zum Kern der Angelegenheit. Zur Zeit ihres Todes war sie in Gracie, zu weiteren Nachforschungen. Ich glaube, da arbeitete sie schon nicht mehr für Miles. Ich glaube, sie hatte ihre eigene Untersuchung begonnen.«
»Der Sache mit Rainey?«
Miss Beryl zuckte die Achseln.
»Nicht nur die. Es war eine umfassendere Untersuchung daraus geworden. Du weißt, dass man sich über die Teagues so manches erzählt, hier in Sallytown und sonst wo?«
»Ich habe von London Teague gehört. Ich weiß, dass er wahrscheinlich seine dritte Frau hat umbringen lassen, damals in Louisiana, vor dem Bürgerkrieg, und dass ihr Patenonkel ihn dafür zum Duell gefordert hat.«
»Anora.«
»Ja. Sie war …«
»Eine Mercer, so wie du, mütterlicherseits. Anoras Patenonkel war John Gwinnett Mercer. Nach ihrem Tod haben er und London Teague sich einander am Haus von John Mullryne in Savannah gestellt. Das Duell hatte keinen klaren Ausgang.«
Reed fragte sich, warum Miss Beryl sich so sehr für die Geschichte seiner Familie interessierte. Sie kannte sich besser aus als er. Aber er sagte nichts und sie sprach weiter.
»London Teague war vor der Ehe mit Anora Mercer zwei Mal verheiratet. Seine erste Frau, die namentlich nicht bekannt ist, starb auf den Westindischen Inseln an Malaria, wo London einen Sklavenmarkt betrieb, der Schiffe auf dem Weg nach North und South Carolina versorgte. Seine zweite Frau, Cathleen, hatte zwei Söhne, Jubal und Tyree. Sie nahm sich das Leben, nachdem ihr klar geworden war, das London Teague ein Schürzenjäger und ein Wüstling war. Tyree fiel im Sezessionskrieg bei Front Royal. Jubal, ein Kavallerist, überlebte den Krieg und zeugte im hohen Alter einen Sohn namens Abel Teague. Anora gebar zwei Mädchen, Cora und Eleanor. Nach ihrem Tod schickte London sie zu John Gwinnett Mercer in Savannah. Cora starb in den letzten Kriegsjahren an der Grippe. Eleanor begründete den Mercer-Zweig der Familie, von der du abstammst, Reed. Aber auch Abel erblickte das Licht der Welt, als Jubals Sohn, und mit ihm kamen London Teagues Sünden wieder in die Welt der Lebenden.
Abel Teague war ein Halunke, ein Wüstling und Feigling. Viele Männer wünschten ihm den Tod, Männer aus deinem Zweig der Familie oder die Ehemänner von Frauen aus deinem Zweig der Familie. Im Jahr vor dem Ersten Weltkrieg schändete Abel eine junge Frau namens Clara Mercer. Und dann weigerte er sich, sie zu heiraten. Clara hatte eine ältere Schwester namens Glynis. Sie war mit einem guten Mann namens John Ruelle verheiratet. Sie besaßen eine große Plantage in den östlichen Ausläufern der Belfair Range. Sie nahmen Clara bei sich auf. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten. Möglicherweise war sie schwanger. John, und später auch sein Bruder Ethan, forderten Abel für seine Missetaten zum Duell, aber Abel wollte sich ihnen nicht stellen. Das heißt, er hat das Duell verweigert. Viele Male. Gegen Schamgefühle war er immun und die Ehre anderer Menschen war ihm egal. Seine eigene auch. Ich zweifle, dass er etwas an Ehre besaß, das verteidigenswert gewesen wäre.«
Reed griff in die Innenasche seines Sakkos und zog ein dreifach gefaltetes Blatt Papier heraus. Er hielt es Beryl hin und sie nahm es.
»Was ist das, Reed?«
»Eine Notiz, die ich im Drucker meines
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