Die Rueckkehr
Türen einem Ding geöffnet, dessen Existenz sich aus dem Bezugssystem unserer Wirklichkeit schlichtweg nicht erklären ließ – ganz und gar merkwürdig war es gewesen, und dabei feindselig – hasserfüllt, gierig, geistlos – ein Wesen aus einer Alptraumwelt, fremdartig, furchterregend und unfassbar. Beide hatten sie es gesehen, Nick und Kate.
Und beide hatten sie auch die Frau gesehen – vielmehr das Bild der Frau –, die in grünem Lichterschein aus dem alten Spiegel gestiegen war und sich dem Ding in der Tür entgegengestellt hatte. Sie hatten sie auf einem alten Bild wiedererkannt. Es war eine Frau namens Glynis Ruelle gewesen, die im Jahr 1939 gestorben war. All das war wirklich erst gestern Abend gewesen.
Oder etwa nicht?
Vielleicht war das alles gar nicht wirklich geschehen.
Weder Kate noch er hatten es seither zur Sprache gebracht. Der Notruf von Beth, ihre Ankunft mitten in der Nacht, die weinenden Kinder, all das hatte die Erinnerung an die Frau im Spiegel und das Ding an der Tür verdrängt.
Und heute Vormittag hatte die Nachricht vom Flugzeugabsturz bei Mauldar Field ihn gezwungen, sich ganz auf die Arbeit zu werfen. Nun war er wieder zu Hause und alles stand ihm wieder vor Augen.
Als er zögernd vor der Tür stand, die Hand am Griff, und drinnen die Kinder spielen und die Erwachsenen reden hörte, fühlte Nick sich in Niceville wie ein Außenseiter, der nicht dazugehörte, und er fand, dass alles, was am Crater Sink oder in Niceville vor sich ging, was mit Rainey Teague und den vielen Vermissten geschah, was den wirbelnden schwarzen Alptraum vor ihrer Tür erschaffen hatte, ihn nichts anging, ihn nie etwas angegangen war und er es nie verstehen oder gar etwas daran ändern können würde.
Ihm war danach, sich umzudrehen, wieder die Treppe hinunter- und den Hügel hinaufzugehen, fort von Beth und Axel und Hannah und Reed und sogar von Kate, fort von Rainey Teague und all den unfassbaren Kräften, die er verkörperte.
Sich einfach still und leise unter den Zweigen der Virginiaeichen fortzuschleichen, unter dem Feenhaar des Louisianamooses, im Abenddunkel zu verschwinden und nicht Halt zu machen, bis Niceville mit all seinen Geheimnissen meilenweit hinter ihm lag.
Zurück in die kalifornische Heimat zu ziehen, sich irgendwie wieder bei der Army zu verpflichten oder es sogar bei den Marines zu versuchen. Ein gewöhnliches Leben zu leben, ein begreifliches Leben.
Sich zu retten.
Schön wärs.
Er öffnete die Tür, und da stand Kate mit einem Drink in der Hand und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Verheiratete Männer leben länger als unverheiratete, und das hat seinen Grund. Er erwiderte ihren Kuss und zog ihn ausreichend in die Länge, um Reed zum Pfeifen zu bringen.
Sie aßen ganz ordentlich im Esszimmer, dessen Wände voller Familienfotos hingen; alle saßen rund um den langen glänzenden Tisch, unter dem Kristallleuchter von Gallé, den Kates Mutter Lenore vor dreißig Jahren aus Paris mitgebracht hatte.
Kate saß an ihrem Stammplatz hinten am Tisch bei der Durchreiche zur Küche. Nick saß am anderen Ende, mit dem Rücken zum Kamin, Reed zu seiner Linken, Axel zu seiner Rechten, Beth und Hannah in der Mitte. Auf dem Tisch waren auf Silbertabletts Bratkartoffeln, Maiskolben, Tomatenscheiben, Salat und gegrillte Steaks angrichtet.
Für Axel und Hannah gab es Becher voller Limonade, in einem Kühler auf der Anrichte aus Eichenholz standen drei Flaschen Veuve Clicquot auf Eis.
Eine vierte, offen und zischend, hatte Reed in der Hand und schenkte in ein Quartett Kristallglasflöten ein. Als die Flöten voll waren, wurden sie weitergereicht, und alles wartete auf einen Trinkspruch von Kate. Sogar Axel und Hannah, die beide ernst und ein wenig mitgenommen aussahen.
»Auf Beth, Hannah und Axel. Herzlich willkommen bei einer glücklichen Familie.«
»Dem kann ich mich nur anschließen«, sagte Reed, beugte sich vor, gab ihr einen Kuss auf die Wange und bot dann Beth eine Hand. Alle ließen die Gläser klingen, Hannah und Beth stießen mit ihren Bechern an und das Essen wurde herumgereicht.
Axel, acht Jahre alt, ein schlanker ernster Junge mit großen braunen Augen und vollen braunen Locken, die ihm in die Augen hingen, blickte verwirrt um sich. Nick konnte sehen, wie sich in seinen Augen eine Frage abzeichnete, und er beugte sich zu ihm hin, um ihn anzuhören. Es versetzte ihm einen Stich zu sehen, wie der Junge instinktiv zurückzuckte. Das tat er nun schon seit ein paar Jahren: Wann
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