Die Rueckkehr
aus China braucht dieses Land viel dringender als dich. Denk mal darüber nach.«
Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, folgte Deitz diesem Rat.
»Na ja, das war alles«, sagte Nick und reckte sich. »Das ist unsere letzte Gelegenheit für so ein Gespräch. Sobald du oben im gesicherten Flügel bist, läuft alles auf Autopilot. Irgendwann tanzen hier die Schlapphüte an und dann bist du weg. Schlaf schön, Byron. Ich gebe den Kindern einen Gutenachtkuss von dir …«
»Scheiß auf die Kinder. Hast du mir was anzubieten oder nicht?«
»Ich glaube, dass dir jemand das Geld untergeschoben hat …«
»Ach, echt? Du solltest Polizist werden!«
»Und ich glaube, dass es einen Grund dafür gibt, dass sie dich ausgesucht haben. Wer immer es war, muss mit dem Bankraub zu tun haben, das ist klar. Wenn du uns damit hilfst, können wir vielleicht an der Sache mit den Chinesen drehen.«
Deitz öffnete das zweite Auge.
»Diese Sache mit den Chinesen ist dir eigentlich scheißegal, oder?«
»Eigentlich ja. Dafür bin ich nicht zuständig. Ich will nur die Leute haben, die unsere Cops auf dem Gewissen haben. Und du kennst sie vielleicht sogar.«
Nick konnte die Comic-Denkblase über Deitz’ Kopf hängen sehen.
»Wenn ich Informationen über ihren Aufenthaltsort besäße und sie nicht preisgäbe, würde ich mich der Begünstigung schuldig machen. Darauf steht die gleiche Strafe wie auf den eigentlichen Bankraub.«
»Schwer zu beweisen, wann du darauf gekommen bist. Vielleicht erst gerade eben, und schon meldest du es uns wie ein braver Bürger. Also. Kennst du sie?«
Deitz sagte eine Weile lang nichts.
»Kennen nicht direkt. Aber ich habe so meine Theorien.«
»Jetzt ist der Zeitpunkt, darüber zu reden, Byron.«
Deitz sah Mavis an, dann wieder Nick.
»Und ihr könnt mir die Regierung tatsächlich vom Leib halten?«
»Ich denke schon.«
»Wie?«
»Wenn du uns bei der Aufklärung eines mehrfachen Polizistenmordes hilfst, würde selbst Jon Stewart ausflippen, wenn ein Haufen anonymer Schlapphüte aufmarschiert und uns ausbremst, nur damit der Präsident die Chinesen bei Laune halten kann.«
»Wie würden die Medien denn davon erfahren?«
»Dafür würde Smoles mit Freuden sorgen.«
Deitz legte den Kopf zurück, schloss die Augen.
Sie ließen ihm Zeit.
»Ich werde mit Smoles reden müssen.«
»Tu das.«
»Mache ich auch.«
»Aber warte nicht zu lange.«
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen
Der Mond war noch lange nicht aufgegangen, als Nick nach Hause kam. Als Beau ihn vor dem Haus der Walkers in Garrison Hills absetzte, ging gerade die Sonne unter. Goldenes Licht fiel flach durch die Virginiaeichen, deren Laub die cremefarbene Fassade des Hauses einrahmte. Drinnen leuchteten die Lampen und füllten die hohen französischen Türen mit weichem Glanz. Er hörte Stimmenklang und Musik. In der Luft hing der Duft der Steaks, die hinten im Garten auf dem Grill lagen.
Müde, frustriert und seit fast vierundzwanzig Stunden ohne Schlaf, erklomm Nick langsam die geschwungene Treppe zur Haustür.
Durch das Holz der reich verzierten schwarzen Türflügel konnte er Kinderstimmen hören. Sie gehörten Axel und Hannah, den Kindern von Beth. Sie klangen fröhlich.
Er hielt einen Moment lang inne, lehnte sich an das schmiedeeiserne Geländer und lauschte auf die Lebenszeichen aus dem Haus. In die Rundungen der Türflügel waren zwei bogenförmige Buntglasfenster eingelassen. Im Licht, das hindurchfiel, sah er Schatten vorbeihuschen.
In diesem Augenblick kam es ihm so vor, als wäre sein altes Leben mit Kate gestern zu Ende gegangen, als wäre von nun an alles anders.
Sie waren allein und mit ihrer Ruhe sehr glücklich gewesen. Nun waren Beth, Axel und Hannah da.
Und bald, wenn er aus der Reha kam, wäre da auch noch Rainey Teague, das arme Kind mit seinem ganzen Kummer im Gepäck – entführt – zehn Tage vermisst – entdeckt in einer Gruft, in der er lebendig begraben worden war – Selbstmord beider Elternteile – ein Jahr lang im Koma: Die Aussicht, Rainey Teague im Haus zu haben, lag Nick wie ein Stein im Magen. Für ihn war Rainey eine Verbindung zu dem Kern dessen, was an Niceville nicht stimmte. Sogar das Verschwinden von Delia Cotton und Gray Haggard und die ungeklärte Abwesenheit von Kates Vater Dillon waren bei den Menschen in der Stadt fast unbemerkt geblieben.
Im Gegensatz zu Nick.
Und gestern Abend erst, genau dort, wo er jetzt stand, oben an der Treppe, hatte Kate diese schwarzen
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