Die Rueckkehr
nicht in die Einzelheiten gehen … aber er hat mich auf ein paar Sachen gestoßen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel wie scheiß merkwürdig diese ganze Sache war. Denk doch mal, Boonie. Der Junge verschwindet in einen Spiegel …«
»Nicht im Ernst …«
»Nein. Aber so sah es aus. Und zehn Tage später finden wir ihn in einem versiegelten Grab auf dem Konföderiertenfriedhof. In dem Grab lag ein Typ, der Heiligabend 1921 bei einem Duell getötet worden war. Namens Ethan Ruelle. Merk dir das. Wir holen Rainey raus, er fällt in ein Koma, das ein Jahr dauert. Und dann wacht er eines Tages wieder auf.«
»So weit kann ich dir folgen. Aber wo soll uns das hinführen?«
»Am Tag, als Rainey aufgewacht ist, wollte Lemon Featherlight ihn gerade besuchen. Hier im Haus, ein paar Stockwerke über uns.«
»Lemon? Wieso?«
»Der Junge und er waren dicke. Er kannte seine Eltern, hat sie … manchmal besucht …«
Boonies Gesichtsausdruck veränderte sich.
»Herrgott. Vielleicht eher Sylvia?«
Nick log, dass sich die Balken bogen, und sagte: »Nein, nicht Sylvia.« Boonie ließ es ihm durchgehen. Er kannte Featherlights Ruf. Aber er ließ das Thema ruhen. Niceville hatte seine Abgründe, auch in den besseren Vierteln, so wie überall.
»Also hat er Rainey ab und zu besucht, ihm was erzählt, vielleicht hat er gedacht, der Junge sei gar nicht so tief versunken, vielleicht könne er Stimmen hören … jedenfalls, an dem Tag, als Rainey aufgewacht ist, kommt Lemon aus dem Fahrstuhl und da steht dieser Typ im Flur und wartet. Als sich alles wieder beruhigt hatte, hat Lemon mir eine Beschreibung gegeben …«
So groß wie ich, Kopf kahlgeschoren. Mit einem Blick wie ein Aufseher oder der Ausbilder auf dem Exerzierplatz, richtig bohrend. Guckt mich an, ohne zu zwinkern … er hatte Farmkleidung an. Grobe Jeans, schwere Stiefel – sahen alt aus – abgetragen und schmutzig – Jeans mit aufgekrempelten Beinen. Sein Gürtel war alt und abgenutzt und ganz fest geschnürt, weit über das letzte Loch, als hätte er stark abgenommen oder ihn sich von einem dickeren Mann geliehen. Breit in den Schultern, kräftige Erscheinung, massiger Hals mit etwas, das wie eine Brandnarbe aussah, auf einer Seite, trug ein altes Arbeitshemd, das sah papierdünn aus, wie zu oft gewaschen. An einem Riemen über der Schulter trug er eine Segeltuchtasche. Sah schwer aus. Mit Aufschrift, schwarze Militär-Schablonenschrift. First Infantry Division und die Buchstaben AEF . Er hatte einen … komischen Gang … als hätte er einen Hexenschuss …
Das gefiel Boonie überhaupt nicht.
»Hat Lemon mit dem Mann geredet?«
»Ja. Er hat gesagt, sein Name sei Merle und eine Frau namens Glynis Ruelle habe ihn geschickt oder so ähnlich. Ich habe das nachgeprüft. Den Unterlagen zufolge war Glynis Ruelle mit einem Mann verheiratet, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist. Er diente in der First Infantry Division, American Expeditionary Force – AEF . Sein Name war John Ruelle …«
»Scheiße. JR . Die Initialen in den alten Bauernstiefeln.«
»Vermutlich. John Ruelles Bruder hat den Krieg überlebt, aber als Krüppel. Er hieß …«
»Ethan Ruelle. Und lag in dem Grab, in dem du Rainey entdeckt hast.«
»Ganz genau.«
Boonie entfernte sich wieder ein paar Schritte, stand mit dem Rücken zu Nick da, sein großer runder Kopf wackelte vor und zurück.
»Mir gefällt das auch nicht, Boonie. Aber wir können uns nicht davor verstecken. Hinten an dem Spiegel, in den Rainey am Tag seines Verschwindens geschaut hat, steckte eine Karte, beschrieben in einer geschwungenen Schrift. Da stand ›In langem Eingedenken – Glynis R.‹ .«
Boonie kam zurück und schüttelte den Kopf.
»Wann ist Rainey Teague aus dem Koma aufgewacht, Nick?«
»Am Samstag. Unmittelbar bevor Lemon bei ihm war. Die Ärzte waren schon da. Später hat er ausgesagt, ein Mann namens Merle habe mit ihm gesprochen und davon sei er aufgewacht.«
»Merle. Hat Rainey Merle gesagt?«
»Jawohl. Außerdem hat er erzählt, er habe geträumt, er wäre auf einer Farm, zusammen mit einer Frau namens Glynis.«
»Da soll mich doch der Teufel holen.«
»Sag ihm, er kann mich gleich mitnehmen.«
»Und das ist der gleiche Merle, der hier vor uns liegt, das Arschloch, dem sie am Freitagnachmittag das Lichtlein ausgeblasen haben. Am Tag zuvor.«
»So ist die Lage.«
Boonie blickte auf Merle Zanes zerfleischtes Gesicht herab, als würde der Typ vielleicht gleich etwas sagen und ein paar
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