Die Rueckkehr
nicht vom gleichen Täter zugefügt worden wie die Wunde am Rücken?«
»So sehe ich das. Dieser Typ ist zweimal erschossen worden. Einmal, als er gelebt hat. Und noch einmal zwei Tage später, als er schon tot war. Willst du den Rest auch noch hören?«
»Lieber nicht.«
»Ich auch nicht. Irgendwann in diesen achtundvierzig Stunden ist der Typ gebadet worden. Abgeseift, abgespült.«
»Woher weißt du das?«
»Seifenrückstände in den Haaren. Würdest du gerne wissen, was wir über die Seife herausgefunden haben?«
»Nein.«
»Realitätsverleugnung! Nicht nur bei Gangstern beliebt. Die Marke heißt Grandpas Wonder Soap …«
»Darf ich mal raten? Richtig alt.«
»Genau. Grandpas Soap wird noch hergestellt, aber die Zutaten in diesen Seifenrückständen – die Fette und so weiter – werden seit den Zwanzigerjahren nicht mehr verwendet. Dann sind da noch die Klamotten, die der Typ getragen hat. Genagelte Bauernstiefel, ordentlich abgetragen, von einem Schuhmacher in Baton Rouge, der seinen Laden 1911 dichtgemacht hat. Initialen auf der Innenseite, JR , eingebrannt mit einem heißen …«
»Wie waren die Initialen eben?«
» J und R . In beiden Stiefeln. Größe 44. Ausgewaschene Jeans mit einem Schnitt, den Levis nicht mehr herstellt, und zwar …«
»Lass mich raten. Seit den Zwanzigern.«
»Und das Hemd, das er getragen hat, ist so ein altmodisches Teil mit Wechselkragen. Wird an diese kupferartigen Nieten geknöpft. Weiß, gestärkt und oft gebleicht. Der Stoff war fast papierdünn, so abgetragen war es.«
Nick wusste nichts mehr zu sagen, Boonie schon.
»Er hatte Schmauchspuren an der rechten Hand.«
»Obwohl ihn jemand gewaschen hatte?«
»Offenbar. Die Schmauchspuren stammen von einer Korditrezeptur, die in 45er-Munition Verwendung fand. Im Ersten Weltkrieg. Und jetzt wird es richtig heiß.«
»Okay. Ich schwitze schon.«
»Am Hemdrücken – der dort, wo die Kugel hätte hindurchschlagen müssen, übrigens kein Loch aufwies …«
»Jemand hat ihm ein frisches Hemd angezogen?«
»Lass mich weitererzählen. Am Hemd waren hinten diese Flecken. Als wäre er hart auf dem Rücken aufgeschlagen. Die Gerichtsmedizin hat Blütenpollen darin gefunden, Pflanzenrückstände und Erde. Um es kurz zu machen, der Mischung von Pflanzensorten, Bodenzusammensetzung und Pollen und noch mehr Scheiß, den ich nicht verstehe, nach glauben sie, das Hemd – nicht der Tote, der es getragen hat – müsse irgendwo im Norden, auf der anderen Seite der Belfair Range, auf den Boden aufgekommen sein – voll auf den Rücken –, wahrscheinlich in der Gegend von Sallytown.«
Boonie verfiel in Schweigen, versank in sich, mit einem Ausdruck aus Zorn, Verwirrung und Depression im Gesicht. Nick spürte weder Zorn noch Depression. Ihm war schwindelig und, ehrlich gesagt, er fürchtete sich. In Niceville stimmte etwas nicht, und diese Wanderleiche war ein Teil dieses Übels.
»Boonie …«
Boonie blickte zu Nick auf, in der Hoffnung, dass es eine Erklärung gab, auf die er nicht gekommen war, und dass Nick sie ihm geben konnte und sich das alles in Luft auflösen würde.
Nick zögerte.
Wenn er jetzt diesen Weg wählte, waren die Konsequenzen nicht abzusehen.
»Du kennst doch Lemon Featherlight.«
»Klar. Ein Informant der Drogenfahndung. Seminole-Indianer. Hat eine Weile bei den Marines gedient. Bei Kampfeinsätzen hat er sich gut geschlagen, in Friedenszeiten weniger gut. Lacy Steinert, die Bewährungshelferin, hat seine unehrenhafte Entlassung in eine reguläre Entlassung verwandeln können. Lange schwarze Haare, messerscharf geschnittenes Gesicht, zieht sich an wie ein Modefritze. Hängt im Pavilion rum und wird dafür bezahlt, dass er die lustigen Witwen beschält.«
»Genau. Aber ich glaube, das Eintänzerding hat er aufgegeben – der Qualifikationen wegen, die er sich bei den Marines erworben hatte, hat Lacy ihn in einem Kurs für zivile Hubschrauberpiloten eingeschrieben – und er hat mir bei der Suche nach Rainey Teague geholfen. Ungefähr ein Jahr nach dieser Sache – Rainey lag noch hier im Lady Grace im Koma – hatte Lemon Ärger mit der Drogenfahndung – eine Bagatelle, aber er sollte dafür einfahren …«
»Die scheiß Drogenfahndung. Die haben mir mehr Informanten mit Bagatelldelikten kaputtgemacht, als ich zählen kann. Eine Behörde ohne Existenzberechtigung.«
»Wie dem auch sei, Lacy Steinert hat mich gebeten, mich mit ihm zu treffen, er wisse etwas über den Fall … ich will da
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