Die Rueckkehr
eine Frage beantworten, Coleman?«
»Ich kanns versuchen«, sagte er und sein Lächeln schwand.
»Wie viel größer bist du als ich?«
Die Frage gefiel ihm überhaupt nicht.
»Als Sie? Das weiß ich nicht genau.«
»Ich bin 1,62. Wie toll würden diese Jungs da drüben dich finden, wenn du mich zusammenschlägst?«
»Wenn ich Sie zusammenschlage?«, sagte er und trat einen Schritt zurück. Jetzt war sein Lächeln ganz verschwunden. »Ein Mäd … eine Frau würde ich niemals schlagen, Ma’am.«
»Nie?«
Sein Gesicht wurde hart.
»Nein. Nie.«
»Wieso nicht?«
»Wieso nicht?«
»Ja. Warum würdest du niemals eine Frau schlagen?«
Sie sprachen beide leise und der Wind in den Bäumen rauschte laut genug, dass ihr Gespräch nicht über den Dunstkreis der Weide, unter der sie standen, hinausgetragen wurde. Über ihnen raschelten und ächzten die Zweige. Die Luft duftete nach grünem Laub und gemähtem Rasen.
»Das … tut man nicht. Das wäre unfair.«
»Wieso?«
»Weil … das tut man einfach nicht. Kein Grund ist gut genug, um eine Frau zu schlagen. Und weil ich größer und stärker bin als Sie. Außerdem würden all die anderen Jungs … mich für einen …«
»… Penner halten?«
Das brachte Coleman kurz zum Schweigen.
»Hören Sie mal, Mrs Kavanaugh, ich glaube, ich weiß, worum es hier geht. Es geht um Rainey und Axel, stimmts?«
»Du weißt, was sie durchgemacht haben, oder? Rainey hat beide Eltern verloren, ist von Fremden entführt worden und hat ein Jahr lang im Krankenhaus gelegen. Was Axel angeht, hast du bestimmt die Nachrichten gesehen – sein Vater ist ein schlechter Mensch und jetzt ist er irgendwo da draußen und treibt wer weiß was. Axel hat schreckliche Angst vor ihm, immer gehabt. Das Letzte, was Axel jetzt braucht, ist noch ein großes starkes männliches Wesen, das ihm die Seele aus dem Leib prügelt. Aber du hast dich letzte Woche mit Rainey geprügelt und gestern mit Axel – du hast ihn zusammengeschlagen, gleich da hinten vor der Kapelle.«
Bei diesen Worten richtete Coleman sich auf.
»Mrs Kavanaugh … Axel ist auf mich losgegangen. Er ist völlig durchgedreht … ich habe ihn nur gebremst …«
Kate hielt ihm eine Handfläche entgegen, das Gesicht blass vor Zorn.
»Wir wissen beide, was zwischen dir und diesen Jungs läuft, Coleman. Um ein bisschen nachsichtiger mit ihnen zu sein, hast du offenbar nicht genug Herz. Owen, Jay und du, ihr habt euch Spitznamen für sie ausgedacht …«
»Spitznamen?«
»Stell dich nicht blöd, Coleman. Rainey ist Grufti und Axel ist der kleine Polizistenmörder oder so …«
Auf Colemans Gesicht wechselten sich verschiedene Gesichtsausdrücke ab und er wurde rot.
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden, Ma’am. Owen, Jay und ich – wir haben die Jungs wirklich nie so genannt …«
»Wo warst du gestern Nachmittag?«
Coleman lockerte sich wieder.
»Gestern Nachmittag … um welche Zeit, Ma’am?«
»Mittwoch. Gestern. Nach der Schule.«
»Ma’am, nach der Schule hatten wir gestern Footballtraining. Am Sonntag spielen die Blue Nights gegen die Sacred Heart Falcons. Letzte Woche haben sie uns fertiggemacht. Also geht Vater Robert ihre Taktik mit uns durch …«
»Ihr seid ihnen nicht nach der Schule hinterhergelaufen und habt sie gehänselt? Owen, Jay und du?«
»Nein, Ma’am. Bestimmt nicht.«
»Du streitest es ab?«
»Hören Sie, Mrs Kavanaugh … das ist doch gaga. Kein Wort davon ist wahr. Also, das ist alles gaga, was Sie da sagen.«
»Du willst mir erzählen, dass ihr ihnen gestern nicht auf dem Heimweg nachgelaufen seid? Owen, Jay und du?«
»Genau.«
»Kannst du das beweisen?«
Coleman ging in die Luft.
»Das kann ich sehr wohl beweisen. Bei jedem Training gibt es einen Zählappell. Wie beim Militär. Wir waren alle dort. Owen und Jay. Und ich. Das muss auf Vater Roberts Anwesenheitsliste stehen. Wir können sofort zu ihm gehen. Er ist in seinem Büro.«
Er drehte sich um und machte sich über den Rasen auf den Weg, steif und wütend. Kate rief ihm etwas nach.
»Nein … warte.«
Coleman blieb stehen, drehte sich nach ihr um, sichtlich wütend, aber ohne es rauszulassen.
Sie ging zu ihm.
»Du sagst mir die Wahrheit, oder?«
»Beim Blut der Jungfrau Maria. Ehrenwort.«
Kate wollte nicht, dass Axels und Raineys Anschuldigungen sich vor diesem Jungen in Luft auflösten.
Aber ihre innere Anwältin war überzeugt, dass der Zeuge die Wahrheit sagte.
»Dann muss ich mich entschuldigen.
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