Die Rueckkehr
dem man die Türen öffnen konnte. Sie fuhren zischend auf, und da bemerkte der Mann Boonie und Nick im Flur und ein fröhliches Lächeln legte sich auf sein Gesicht.
»Special Agent Hackendorff«, sagte er mit schwerem spanischem Akzent. »Sie wieder hier?«
»Ganz recht«, sagte Boonie, während der Latino Nick abschätzte, Nick in seinem Krankenhaushemd, den Papierpantoffeln und dem großen blauen Bademantel.
»Sie haben einen mitgebracht, der noch laufen kann?«, sagte der Helfer. »Normalerweise müssen wir sie hier reinrollen. So wie diesen hier«, sagte er und klopfte auf das Laken, das die Leiche bedeckte. Die Füße des Toten ragten darunter heraus. Sie waren noch rosa.
»Sieht frisch aus«, sagte Boonie.
Der Mann nickte.
»Nummer neun. Ist ihnen eben draufgegangen. Wir legen ihn zu den anderen acht in die Aufbewahrung. Wahnsinnsding, diese Super-Gee-Sache. Niceville dreht jedes Jahr mehr ab.«
Er warf Nick einen Blick zu und lächelte.
»Ich heiße Hector. Sie kommen mir bekannt vor.«
»Ich bin Nick Kavanaugh.«
»Habe ich mir gedacht. Hab Sie schon mal gesehen. Sie sind vom CID , oder?«
Boonie schüttelte den Kopf.
»Hector, Nick ist nicht vom CID . Nick ist nicht einmal hier. Nick ist nie hier gewesen. Kannst du mir folgen?«
Hector sah verwirrt aus, dann hellte seine Miene sich auf.
»Oh, klar. Schon kapiert. Die Wanderleiche aus Fach 19.«
»Ganz genau«, sagte Boonie.
Hector hielt sich einen Finger an die Nase, wandte sich ab und schob die Bahre durch die Türen in einen großen, grell erleuchteten und frostigen Raum mit Stahltüren, die sich über zwei Wände zogen, immer drei übereinander.
Mit einem Wink über die Schulter verschwand er ganz hinten in einem Raum, der wie eine große Kühlkammer beim Metzger aussah. Boonie ging mit Nick an die letzten Schubfächer hinten links. Jedes Schubfach hatte eine Nummer an der Tür. Nummer 19 war das mittlere der drei.
Boonie seufzte und schien ein bisschen in sich zusammenzufallen.
»Ich weiß nicht, ob ich das jetzt schaffe«, sagte er und lächelte Nick an. »Seit ich mit diesem Fall zu tun habe, bin ich nicht mehr der Alte. Und jetzt tue ich dir dasselbe an.«
Nick betrachtete Boonies Gesicht, aus dem aller Witz gewichen war. Um seine Augen hatten sich neue Falten gebildet.
»Wenn du damit klarkommst, tue ich es auch.«
Boonie nickte, öffnete die Verriegelung und zog das Schubfach auf. Drinnen lag eine Leiche, nackt unter Plastikfolie auf einem Regalbrett aus Stahl. Ein Eishauch strömte aus dem Fach und legte sich ihnen um die Füße. Die Luft stank nach Frost und verdorbenem Fleisch. Boonie zog die Schublade ganz aus und blickte Nick von der anderen Seite quer über die Leiche an.
»Mach schon«, sagte Nick.
Boonie zog die Plastikfolie weg und enthüllte die blau angelaufene Leiche eines Mannes in den mittleren Jahren, schlank und muskulös, mit einer hässlichen lila Brandnarbe, die sich vom linken Brustkorb bis links an den Hals zog. Als er noch gelebt hatte, mochte er ein gutaussehender Mann gewesen sein, aber jetzt war er der Horror. Seine Augenhöhlen waren schwarze, mit geronnenem Blut gefüllte Krater. Aus seinen Wangen waren Stücke herausgerissen. Seine Nase gab es nicht mehr, nur noch Knorpelfetzen. Sein linkes Ohr war abgebissen worden und sein rechtes Ohrläppchen nur noch ein blutiges Klümpchen. Er hatte keine Lippen mehr, seine Zähne lagen bloß und formten die schaurige Parodie eines Lächelns.
Die obduzierenden Ärzte hatten ihn von der Kehle bis hinunter in die Leistengegend aufgeschnitten, mit dem klassischen Y-förmigen Einschnitt zur Leichenöffnung. Mit dickem schwarzem Nylonfaden hatte man ihn grob wieder zusammengeflickt. An der Kehle schien es so etwas wie eine Eintrittswunde zu geben, direkt unter dem Kiefer, von einer kleinkalibrigen Waffe.
Nick blickte zu Boonie auf.
»Das ist Merle Zane, stimmts?«
Boonie nickte.
»Leibhaftig. Oder das, was vom Leib noch übrig ist. Ich habe ihn jetzt schon sechs Monate hier auf Eis. Ich gebe dir mal einen Abriss, damit du verstehst warum. Die Fingerabdrücke passen zu einem Merle Zane, geboren am 17. November 1968 in Harrisburg, Pennsylvania. Stockcar-Rennfahrer – bis auf NASCAR -Ebene – ohne Vorstrafen, bis er wegen schwerer Körperverletzung im Angola-Gefängnis gelandet ist, nachdem er mit einem Schraubenschlüssel auf ein paar Boxen-Mechaniker losgegangen war. Fünf Jahre Haft. Entlassung wegen guter Führung. Hat für ein paar Oldtimer-Händler
Weitere Kostenlose Bücher