auch nicht gerade sofort eingeschmeichelt.
Vielleicht war noch mehr an der Sache, als sie glaubte. Vielleicht sollte sie mal mit den Jungs darüber reden. Gleich irgendwo hinfahren, wo sie ihr das Herz ausschütten konnten. Aber als sie zu ihrem SUV zurückkam, waren die Jungen verschwunden.
Nach langer und frustrierender Suche auf dem Schulgelände machte Kate sich drinnen auf die Suche nach Alice Bayer im Sekretariat, aber die Frau hinter der Glasscheibe war nicht Alice.
Nein, sagte die Frau, sie habe Rainey und Axel heute nicht zur Schule kommen sehen. Sie fügte hinzu, dass beide Jungen jetzt immer ein paar Tage die Woche früher gingen. Aber das sei okay, weil sie eine schriftliche Entschuldigung hätten.
Eine schriftliche Entschuldigung?
Kate verlangte, sie zu sehen.
Nachdem sie Kate kurz mit gespitzten Lippen beschnuppert hatte, öffnete die Frau eine Aktenmappe, blätterte sie durch, zog ein Blatt Papier heraus und reichte es ihr durch den Schlitz in der Trennscheibe.
Die Nachricht war handgeschrieben, in grüner Tinte, mit einem Füllfederhalter, auf cremeweißem Büttenpapier.
Bitte erlauben Sie meinem Sohn Rainey in der nächsten Zeit, früher nach Hause zu gehen. Er hilft mir bei Reparaturen.
Mit herzlichem Dank im Voraus,
Sylvia Teague
Kate starrte die Nachricht an. Diese Handschrift kannte sie gut. Sie gehörte Sylvia Teague, klar und frisch wie immer, und sie schrieb mit einem Montblanc, den Johnny Mercer ihr vererbt hatte, ein entfernter Verwandter.
Sie riss sich zusammen.
»Hat Vater Casey das gesehen?«
Die Sekretärin schüttelte den Kopf.
»Wohl kaum. Warum auch? Anwesenheitsfragen sind Routine. Dafür sind wir zuständig. Anwesenheit und Aktenführung. Und die Nachricht stammt schließlich von seiner Mutter.«
»Von Axels Mutter stammt sie nicht. Axels Mutter ist Beth Walker, meine Schwester. Warum erlauben Sie auch Axel, Unterricht zu versäumen?«
Das Verhalten der Frau wurde spürbar kühler.
Kate wunderte sich, dass auf der Glasscheibe zwischen ihnen keine Eisblumen sprossen.
»Axel hat uns gesagt, seine Mutter arbeite in Cap City beim FBI . Ich habe ihn um irgendeine Art Bestätigung von ihr gebeten, per Telefon oder E-Mail. Am Tag darauf erhielt ich eine Mail von ihr, mit der Erlaubnis, Axel früher gehen zu lassen, unter der Bedingung, dass Rainey bei ihm bleibt. Sie muss hier sein … einen Augenblick … da ist sie.«
Sie hatte eine Mappe mit der Aufschrift ERLAUBNISSE durchgeblättert. Sie hielt Kate den Bogen hin, damit diese ihn durch die Scheibe lesen konnte.
Von:
[email protected] An:
[email protected] Ja, Axel hat meine Erlaubnis, die Schule früher zu verlassen, solange er sich in Gesellschaft von Rainey Teague befindet. Für Rückfragen erreichen Sie mich unter 918-347-6021.
Elizabeth Deitz
»Haben Sie dort angerufen?«
»Ja. Natürlich. Ich habe eine Nachricht hinterlassen.«
»Hat Beth Sie zurückgerufen?«
»Bestimmt. Sonst würden wir die Jungen ja nicht früher gehen lassen, oder? Und diese Nachricht hier wurde von Raineys Mutter unterschrieben. Das ist ihre Unterschrift, das weiß ich genau.«
»Und woher?«
Der Mund der Frau wurde schmaler.
»Weil wir ihre Unterschrift in den Unterlagen haben. Alice nimmt es mit Entschuldigungen sehr genau. Sie besteht darauf, dass alle Eltern kommen und persönlich eine Unterschriftenprobe abgeben müssen. Wenn wir das Formular einfach nach Hause schicken würden, unterschreiben diese Racker am Ende selber, und wie stehen wir dann da?«
»Haben Sie die Unterschrift meiner Schwester in den Unterlagen?«
»Noch nicht. Axel ist gerade erst aufgenommen worden. Ihre Schwester war wohl – wie ich annehmen muss – zu beschäftigt, um vorbeizukommen und ihre Unterschrift zu leisten. Das hängt sicher mit den Schwierigkeiten zusammen, in denen ihr Mann steckt.«
Das sagte sie mit einem hörbaren Unterton selbstzufriedener Boshaftigkeit. Kate sah sich die Frau hinter der Trennscheibe genauer an. Eine von diesen typischen Empfangsdamen, eine dicke Person wie ein Eisbecher mit Sahne, mit Dauerwelle und kirschroten Lippen und schwarzen Knopfaugen hinter der randlosen Brille mit den runden Gläsern. Sie machte einen entschieden entnervten Eindruck.
»Bitte entschuldigen Sie«, sagte die Frau scharf. »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Darf ich Sie fragen, was Sie diese Angelegenheit angeht?«
Kate verkniff sich die Ohrfeige, zum Glück, schließlich war zwischen ihnen ja auch