Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
Mariasfantastischer Spiegelnummer erzählte, und fragte dann kurz angebunden, wo ich mich befände.
»In einer Pension.«
»In welcher Pension?«
»Warum fragen Sie das?«
Er zögerte.
»Äh, damit ich Ihnen Informationsmaterial über Maria zuschicken kann.«
»Nein danke, wenn es Ihnen nichts ausmacht, reicht es mir, Großvaters Manuskript von der
Rückkehr der Jungfrau Maria
zu lesen.«
Daraufhin schwieg Dr. Peter so lange, dass ich schon befürchtete, die Verbindung sei unterbrochen worden, bis er endlich mit leiser Stimme und auf seine übliche schleppende Weise sagte:
»Ich kann nicht viel dafür bezahlen.«
»Aha.«
»Höchstens eine Million.«
Ich war irritiert, dass sich das Gespräch auf einmal um Geld drehte. Wobei ich eine Million durchaus gebrauchen konnte. Doch als ich an Großvater und Maria dachte, fragte ich mich, ob es irgendeinen anderen Menschen gab, der meinem Herzen näherstand als die beiden – und die Antwort war eindeutig nein.
»Dr. Peter, Sie verstehen mich falsch, ich habe nicht vor, an dem Manuskript zu verdienen.«
»Was wollen Sie dann? Sie können Maria nicht treffen, falls es Ihnen um die Vergebung Ihrer Sünden geht.«
»Daran habe ich auch nicht gedacht. Aber sagen Sie mir etwas anderes: Sie versuchen doch, Maria freizubekommen, oder?«
»Wir tun alles für sie, was in unserer Macht steht.«
»Und Sie brauchen doch bestimmt Geld, um die Kampagne zu finanzieren.«
»Das ist sicher richtig.«
»Ich schicke Ihnen eine Kopie des Manuskripts, wenn Sie mir versprechen, sämtliche Einkünfte aus dem Verkauf des Buchs für Marias Freilassung zu verwenden.«
Dr. Peter akzeptierte den Vorschlag, und so kam es, dass ich ihm eine Kopie des Manuskripts zusandte. Ungefähr eine Woche später lag das Buch in allen Schaufenstern der wichtigsten Buchhandlungen. Gelegentlich rief ich Dr. Peter an und fragte ihn, wie es mit der Kampagne zur Befreiung Marias vorangehe. Er sagte mir, dass die Gemeinde sehr schnell wachse und die Gemeindearbeit blühe. Anschließend erkundigte er sich immer nach meiner Adresse, um mir Informationsmaterial über Maria zuzuschicken, aber ich wich jedes Mal aus. In den zwei Wochen nach Veröffentlichung des Buches verschlang ich sämtliche Publikationen, die ich über Maria erhalten konnte, doch dann fiel mir eine merkwürdige Sache auf. In den Artikeln wurde immer über sie geredet wie über eine Art Wunderkind, aber wo sie sich aufhielt, wie sie ihre Tage verbrachte und wie sie sich fühlte, erwähnte niemand. Tatsächlich war Maria seit zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Es kam mir so vor, als wüssten die Autoren nicht, wo sie war. Ich versuchte mir vorzustellen, sie sei unter falschem Namen freigelassen worden, damit sie vor Belästigungen aufdringlicher Anhänger und Gegner geschützt war, glaubte es aber selbst nicht. Eines Abends schlenderte ich in eine Buchhandlung und sah ein Buch von Dr. Peter über Maria. Ich kaufte und las es, war aber ziemlich frustriert, als ich es beendet hatte. Das Buch war zweifellos mit Sachkenntnis geschrieben und nahm ausführlich Bezug auf Großvaters Manuskript sowie auf einige Geschichten, die Maria erzählt hatte. Aber es gab auch Passagen über Dinge, die sie getan und gesagt haben sollte, die ich überhaupt nicht mit ihr in Einklang bringen konnte. Diese Schilderungenerinnerten mich stark an die Heiligenlegenden, die ich als Junge gelesen hatte. Noch etwas verstärkte mein Unwohlsein, und zwar, dass stets in der Vergangenheit über Maria gesprochen wurde. Ich suchte vergeblich nach Hinweisen auf ihren Aufenthaltsort. Mir fiel auf, dass ungewöhnlich oft erwähnt wurde, man solle seine Gebete an die Wolkenburg richten. Als ich das Buch zum dritten Mal las, überkam mich plötzlich ein Gefühl von Übelkeit. Ich versuchte, mich aufs Lesen zu konzentrieren, schleuderte das Buch jedoch nach kurzer Zeit in die Ecke. Erst als ich alle Zeitungsausschnitte, Schriften, Broschüren und Bücher von Dr. Peter über Maria zusammengesucht und in die Mülltonne geworfen hatte, beruhigte ich mich. Anschließend ging es mir besser, aber ich war immer noch aufgewühlt.
»Es ist mir egal, ob sie eine Hure oder die Reinkarnation der Jungfrau Maria ist, ob sie eine Betrügerin oder die talentierteste Studentin des Landes ist, ein Engel, ein Teufel oder eine ganz normale Frau – ich möchte sie wiedersehen! Ich möchte mit ihr über alles und nichts reden, ihr in die Augen schauen, ihre Stimme hören, mit
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