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Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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führte mich in ein Dorf, das dafür bekannt war, sich seit dem 18. Jahrhundert kaum verändert zu haben. Es lag mitten im Wald. Die Burg befand sich in Staatseigentum, war aber nicht öffentlich zugänglich. Sie stand neben dem Dorfplatz, aber ich konnte sie nur über den Burggraben hinweg betrachten. Beide Brücken wurden bewacht, und die Wächter verwehrten jedem den Zugang, der keinen entsprechenden Ausweis hatte. Sie schienen nicht bewaffnet zu sein und wirkten auf den ersten Blick recht freundlich, doch nachdem ich sie eine Zeitlang beobachtet hatte, war ich davon überzeugt, dass sie unter ihrer Kleidung Waffen trugen. Als ich die Dorfbewohner fragte, ob die Burg immer so gut bewacht gewesen sei, verneinten sie; bis vor ungefähr drei Wochen sei das Gebäude an vier Tagen in der Woche zugänglich gewesen, dann aber unerwartet geschlossen worden. Als ich die Leute fragte, was ihrer Meinung nach der Grund dafür sei, zuckten die meisten nur mit den Achseln, aber ein Mitarbeiter an der Rezeption meines Hotels sagte, er habe gehört, dass dort ein gefährlicher Verbrecher gefangen gehalten werde. Diese Information stimmte mich sowohl optimistisch als auch pessimistisch. Die Burg war genauso lange geschlossen, wie Maria aus der Öffentlichkeit verschwunden war. Aber selbst wenn Maria dort gefangen gehalten wurde, wie zum Teufel sollte ich sie befreien? Ich kämpfte gegen eine Übermacht.
    Mein Zimmer befand sich im obersten Stock des Hotels auf deranderen Seite des Platzes direkt gegenüber der Burg, sodass ich jeden sehen konnte, der durch den Haupteingang ging. Bereits in der ersten Nacht passierte eine große, schwarze Limousine mit verspiegelten Rückfenstern die Hauptbrücke über dem Burggraben. Der Fahrer öffnete die Hintertür, und ein schwarzgekleideter Mann stieg aus dem Wagen, groß und schlank, mit einem breitkrempigen Hut auf dem Kopf. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, da er mit schnellen Schritten in die Burg ging, aber seine schlaksige Figur kam mir bekannt vor. Etwa zwei Stunden später eilte der Mann wieder heraus, und jetzt war sein Gesicht zu sehen. Es war Jean Sebastian, und er sah alles andere als glücklich aus. Nun zweifelte ich nicht mehr daran, dass sich Maria in der Burg aufhielt.
    Ein paar Minuten nachdem Sebastian gefahren war, ging ganz oben im rechten, zum Wald hin gelegenen Turm das Licht an. Vor fast allen Fenstern und Balkontüren befanden sich Eisengitter, aber durch das Gitter meinte ich, eine Person zu erkennen. Sie ging zur Balkontür und schaute durch das Gitter hinaus.
    Kann das sein?
, dachte ich.
    Ich sprang zum Lichtschalter und schaltete das Licht ein, ließ es eine Weile brennen, schaltete es dann wieder aus, wiederholte das Ganze zweimal und ging zurück zum Fenster. Kurz darauf blinkte das Licht in der Turmwohnung eine ganze Minute lang hektisch.
    Es ist Maria, und sie will raus.
    Es schien unmöglich, sie zu befreien. Ich hatte vor der Burg acht Wächter gezählt und war davon überzeugt, dass sich im Gebäude noch mehr befanden. Undenkbar, es zu durchqueren. Wenn eine so riskante Aktion gelingen sollte, würde sie bestimmt mehr als ein Menschenleben kosten. Der Weg von außen war allerdings auch nicht einfacher. Selbst wenn ich über den Graben käme, warder Turm ungefähr siebzig Meter hoch, und selbst wenn ich auf wundersame Weise an ihm hochklettern könnte, gab es immer noch die Eisengitter vor den Fenstern und der Balkontür. Im ersten Moment war ich völlig hoffnungslos, doch gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, das Dorf ohne Maria zu verlassen. Es kam nicht in Frage, einfach aufzugeben.
    Ich habe keine Lust, in einer drittklassigen Pension rumzuhängen und Däumchen zu drehen, bis mir das Geld ausgeht. So, wie es aussieht, ist mein Leben nicht so schön, dass ich es nicht aufgeben würde, um Maria wiederzusehen. Entweder sterbe ich bei dem Versuch, sie zu befreien, oder es gelingt mir, und wir können vielleicht eine schöne Zeit miteinander verbringen. Sie weiß bestimmt, dass ich das Lichtzeichen gegeben habe, und da sie mit einem so langen Blinken geantwortet hat, scheint sie froh zu sein, von mir zu hören. Ich will nicht die Ermordung von einem Dutzend Wächtern organisieren, also kommt nur der Weg von außen in Frage.
    Nach langem Nachdenken kam ich auf eine Lösung, die genauso verrückt war wie das Problem selbst und daher möglicherweise funktionieren würde. Wenn ich es nicht schaffte, Maria zu befreien, würde ich auf diese Weise

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