Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Höhe der Stufen abtastend, und der Rentner,
der die Spielkarten in der Tasche mit den Fingern prüfte und sofort, allein durch deren Inspiration, die Trumpfbuben von den wertlosen Dreien unterschied, setzte sich auf einen Stein und wartete darauf, daß der Fluß langsam die Stadt in einem Rückstrom verließ, der dem Verschlucken von Spucke glich, damit das Blasorchester im Musikpavillon einen unterbrochenen Walzer weiterspielte, die Leute wieder durch die Straßen gingen, die Apotheken und Kräuterläden die Luken mit Drahtgeflecht von den Schaufenstern nahmen und der Kalender von irgendeinem rein zufälligen, von dem auf einem Zahlenmosaik plattgedrückten Daumen des Vorsitzenden des Gemeinderates blindlings ausgesuchten Sonntag an wieder ruhig funktionierte. Der Neffe vom Laden würde auf der Veranda erscheinen und ihn mit den altbekannten förmlichen Augen eines genesenden Ponys begrüßen, er würde die Grundschule wiedererkennen, die Musikakademie, die Stierkampfarena, den Marktplatz, das Aquarium mit den grauhaarigen Tritonen des nicht vollendeten Meeresmuseums, dessen Projekt vor Jahrhunderten in der Schublade der zu bearbeitenden Schriftstücke gestrandet war, in die der Abteilungsleiter zwischen Ingenieursgutachten seine Verspersalami steckte, er würde die ganze Nacht lang im Café im Stadtzentrum auf ein grimmiges Biscaspiel mit dem Notarsangestellten verbringen, der unter dem abgestellten Radio und einer Traube schreckensstarrer Zuschauer als Zeugen seine Asse meinen vorwegnahm und meine Damen erbarmungslos vorausahnte.
– Scheiße, tröstete er sich, indem er haßerfüllt das Zurückweichen des Tejos überwachte: Wenigstens haben sie mich zum Grafen ernannt.
Und er erinnerte sich daran, wie man ihn in den Palast gerufen hatte, um ihm eine Flotte zu übergeben und ihn nach Indien zu schicken und ihm zur Unterstützung ein Bündel Landkarten mit erfundenen Kontinenten gegeben hatte, Stapel erlogener Berichte zu Fuß Reisender und einen Kapuziner mit einer Geißel und einem Rosenkranz in der Faust, dem die besondere Aufgabe zuteil war, die Sterbenden zu segnen. Er erinnerte sich an den Restelo am Morgen, als die Segelschiffe ausliefen, an den Hofstaat, der auf einer Tribüne unter einem Baldachin mit Fransen saß, um dem Auslaufen zuzuschauen, an die Hofdamen, die er in den Gärten des Palastes blindlings kniff, wobei er ihren Geruch nach Bimsstein mit der Passionsblumenessenz der Königin verwechselte. Er erinnerte sich an die Bischöfe mit den goldenen Paramenten, den apostolischen Nuntius und dessen dunkle Brille eines schweigsamen Mafioso, an die dekolletierten Botschafterinnen ferner Länder, an den Markt, der mit angehaltenem Atem dem Lichten der Anker beiwohnte. Er erinnerte sich an die Raben, die die Hymne von 1826 in den Tavernen sangen, er erinnerte sich an das Volk, ach, das Volk, das grün-rote Fähnchen schwenkte, an die Alte, die mir einen knochigen Prophetensegen zuwarf, als sie schon zu den Strömungen der Mündung kreuzten, doch er mußte einunddreißig Tage auf dem Stein auf dem Hügel warten, gegen sich selbst mit einer Unzahl von vorbedachten Fehlern und aufschiebenden Manövern spielen, ohne dabei jemals zu siegen oder besiegt zu werden, bis der Tejo in sein Bett zurückkehrte und Vila Franca ganz aus dem Schlamm, zwischen den dahintreibenden Leichen und den abgeknickten Maulbeerbäumen auftauchte, so wie er es
in den fünfzig Jahren Afrika in sich bewahrt hatte, während er den aquarellmalenden Bettler in der U-Bahn längst vergessen hatte, der ihn und die anderen Kapitäne im Augenblick der Abreise uniformiert wie die Handballmannschaften vor den entscheidenden Spielen gezeichnet hatte.
Mit dem Zurückweichen der Überschwemmung nahm der Ort, von dem man nur Teile durch die ockerfarbene Schicht Wasser hatte sehen können, übergangslos seinen Alltag wieder auf, und auf halber Höhe des Hanges begann Vasco da Gama die Hämmer und die Motoren in den Werkstätten zu hören, das Geräusch des Pausenwäldchens der Schule und der Schreibmaschinen in den Behörden, während gleichzeitig ein betagtes Mitglied des Blasorchesters die Stufen zum Musikpavillon hinaufstieg, sich auf einen Eisenstuhl setzte, eine uralte Klarinette aus dem Etui zog und allein mitten auf dem Musikpodium einen Walzer spielte, der so leicht war wie der Saum eines Kleides, hin und wieder hob er das Kinn zum Dirigenten, den es nicht gab. Die aufgequollenen Ochsen erlangten ihren normalen Umfang wieder und weideten
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