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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Die
Gemüseverkäuferinnen erstarrten mitten im Ausrufen ihrer Ware erschreckt zu Kristall. Die Farben der Ampeln gerieten durcheinander, wenn sie vorbeikamen, und führten zu einem Verkehrschaos aus Taxis, Kaleschen und Lastwagen, die sich einander haßerfüllt beschimpften. Sie machten für ein Sandwich und ein Bier in einem Imbiß neben einer Tankstelle unter den Bäumen halt und sahen über den Dächern ankernde Segel und Passagierdampferstandarten, auf die es ewige Möwen abgesehen hatten, dieselben, die schon die Eroberung Lixboas durch D. Afonso Henriques miterlebten. Der König und der Seefahrer, die den Zug der Arbeitslosen nicht beachteten, die sie verspotteten, über das Szepter und die Krone lachten, gingen am Tejo entlang nach Cabo Ruivo und zum den Wellen entrissenen Wasserflugzeug, das noch immer mit von den Vögeln verschmutzten Stoffetzen und den Mumien der Passagiere hinter den Fenstern der Bullaugen auf seiner Kalksteinerhebung stand. Etwa zehn zerlumpte Kerle streckten Krabbennetze zu den Seespinnen des Ufers aus. Tejonymphen, die wegen ihrer Bandscheibenvorfälle kaum noch schwimmen mochten, flöhten sich in der Nähe des Gepränges der Petrochemie mit ihrem Muschelgeruch nach Ammoniakeingeweiden. Die beiden wählten schließlich einen in den Fluß ragenden Damm jenseits von Chelas, wo sie nichts weiter als etwas beunruhigend herausgeputzte anonyme Greise waren und wo sich verendende Hütten mit Moos und Bachstelzenmist und dem Dachbodenlicht des Vergessens bedeckten. Man erkannte den Süden von Barreiro und Alcochete, das Christusdenkmal, die Eisenbögen der Brücke und das undurchsichtige, trübe Waschzuberwasser. Hinter ihnen lagen in der bunten
Unregelmäßigkeit Lixboas außer den Baracken der Armen, die jedes Jahr in den Regenmonaten auseinanderfielen und zerfledderten, die Lagerschuppen, in denen die Kapitäne der Galeeren indianische Sklaven, Rhinozerosse, von holländischen Messerhieben amputierte Edelleute und Fässer voller Tritonenschuppen aufs Geratewohl anhäuften. Vasco da Gama und der Monarch entschieden sich für eine Böschung am Fluß, D. Manoel hatte die Blechkrone und den Hermelinmantel abgelegt und der Seefahrer sich des Gewichts seines Schwertes entledigt, und jetzt endlich fühlten sie einander in ihrer Hinfälligkeit und ihrer Müdigkeit nach so vielen Trennungen, Mißverständnissen, Schmollereien und Ritterintrigen gleich.
    Die Pinguinfregatte hatte lange schon mit ihrer Ladung von kittelbekleideten Biologen, Brutkästen mit ultravioletten Strahlungen und wissenschaftlichen Atlanten die Mündung verlassen, der Hofstaat wisperte fern von ihnen im Restaurant der Tauffestmahle im Castelo São Jorge, der Pöbel sammelte Steine und kochte Sonnenblumenöl in Kaffeekannen zur Verteidigung der Stadt auf, und wir saßen dort allein in der Stille und dem Frieden des Abends, schauten uns die Tejonymphen an, hatten keine Kraft mehr, gegen die Gezeiten zu kämpfen, und wurden allmählich vom süßen Gefühl der Dunkelheit durchdrungen. Seiner Majestät greise Hahnenaugenlider trafen auf meine, die ebenso faltig und geschwollen waren, und für einen Augenblick überkam mich der absurde Gedanke, daß wir ein einziger Mensch waren, der sich, verblüfft über den Kragenschmuck, die goldenen Ohrgehänge und Schnallen, im Spiegel betrachtete, dicht am Wasser hockte, in Sicherheit vor den Höflingen
und Schmeichlern, verletzlicher und zerbrechlicher als ein in Ungnade gefallener Schiffsjunge. Ich schickte mich an, dem König meine Jahre in Afrika zu erzählen, die Einschiffung der Soldaten, von den Guerrillas, die aus dem Landesinneren kamen, um Loanda zu besetzen. Ihm vom fettigen Bauch der Bucht zu erzählen, von den Wolken weißer Vögel im Januar, vom Duft der Mulattinnen um vier Uhr morgens, Mein Herr, wenn Ihr sie ausprobiert hättet, würdet Ihr es nie vergessen!, von den jähen Wundermorgenröten der Tropen. Ich wollte ihm, während die Tejonymphen eine nach der anderen im Bitumen der Wellen verschwanden, von meiner Rückkehr nach Lixboa im Laderaum voller mit Erbrochenem nasser Bettücher und voll nervenzerreißendem Elend erzählen, als Seine Hoheit sich erhob, um ein zu einem Baugerüst gehörendes herumliegendes Brett und Ziegelsteine heranzutragen, die von der Mauer eines Wachpostens übriggeblieben waren. Zweihundert Meter von uns entfernt zündeten die Wachen auf den Karavellen die Laternen an. D. Manoel legte das Brett auf die Ziegelsteine und wischte sich die Hände am

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