Die Rückkehr der Karavellen - Roman
stoße ich ja in der Anstalt auf ihn, in die sie mich eines Tages bringen werden, tröstete sie sich zwischen zwei Zifferblättern mit römischen Zahlen, die wie der Wimpernkranz eines Zyklopen aussahen.
In derselben Nacht gewährte sie, da sie sich der Irrenanstalt sicher war, einer Klasse von Agronomiestudenten und einem ehemaligen Minister, der ihr schon lange erfolglos den Hof gemacht hatte, weil sie seine Zirkushäßlichkeit berührte, Freuden. Soweit man sich erinnern konnte, hatte sie sich niemals so sehr um die Vollkommenheit ihrer Arbeit zwischen den Bettüchern gemüht, verlor sich in einem minuziösen Gewebe provokanter und überspannter Einzelheiten, die den Studenten ungeahnte Lustgefühle brachte, an die sie sich ihr Leben lang erinnern würden, und den Regierenden an den Rand eines tödlichen Zusammenbruchs, der gerade noch rechtzeitig von der ruhigen See eines Ankerplatzes der übermäßigen Zärtlichkeit verhindert werden konnte. Doch am Morgen lag sie wie immer allein im Bett aus vergoldetem Eisen vor den Nachen auf dem Tejo und einem Tage ohne Sonne, in dem sich der Verkehr im wattigen Geheimnis der Schatten schwebend zu bewegen schien. Die transparente Luft ließ einen durch die Wände hindurch sehen, was in den Wohnungen war, und sie entdeckte auf diese Weise, was sie bereits kannte, oder besser gesagt, die eifersüchtig gehüteten betrügerischen häuslichen Geheimnisse, wie auch die Skelette der Spatzen unter ihrem Federkleid, und die Perspektive der Straßen war, von der Sonne
seziert, zu einem Zug aus vielfältigen, unterschiedlichen, vom Bernstein einer gnadenlosen Helligkeit enthüllten Intimitäten geworden. Allein ein saudischer Tanker, der im Fluß vor Anker lag, blieb beharrlich undurchsichtig, verschlossen über seinen von Albatrosknöcheln überflogenen und auf flüchtigen Fischgräten gegründeten maurischen Mysterien. An solchen Morgen, die im übrigen der Oktoberanämie Lixboas eigen sind, fühlte sich die Frau von unerschütterlichen Überzeugungen und wirren Vorahnungen durchfahren, die in ihrem Kopf in Mädchenüberschwang auf kleiner Flamme kochten und ihr schon vor langer Zeit halfen, im Zimmer und in den Winkeln des Brunnens der Erinnerung verlorengegangene Gegenstände zu finden. Ihr Körper erlangt mühelos die Präzision und kantenlose Beweglichkeit der Jugend zurück, die Augen entwirrten, vom grauen Star des Alters befreit, wie Prismen aus Kristall die Fasern des Lichts, das ganze Universum nahm seinen Platz erneut in Reichweite ein, und daher entledigte sie sich mit einer Geste der Strumpfbänder und des professionellen Zierats, den die Männer mit dem drängenden Ungestüm ihrer Begierde liebkosten, und zog sich am Fenster eines ihrer besonders furchterregenden Dekolletes an und spähte aus jener Dachluke die Fischkutterarmada von Alcácer Quibir aus, die am Cais das Colunas unter dem Befehl eines blonden Knaben zusammengekommen war, der sie vor der Besetzung durch die Spanier retten sollte. Sie schmückte sich mit den üblichen Ketten und Ohrringen aus rührend hohlem Silber, während sich dort unten, von den Knöchelchen der Raben verfolgt, ein durcheinandergewürfeltes Heer aus mit Sicheln und Messern bewaffneten Männern aus dem
Alentejo in Hirtenjacken, aus im Takt festlicher Akkordeons voranschreitenden Männern aus dem Algarve und aus mit der Keule aus dem Basalt des Douros gehauenen Männern aus Trás-os-Montes und aus Lissabonner Zuhältern mit schulterpolsterbewehrten Schlüsselbeinen und Wattemuskeln versammelte. Sie puderte die Falten in ihrem Gesicht und lauschte den Corridos der Blasorchester, den um einen Halbton gesenkten e’s der Fiedeln und den mit den königlichen Bannern und Wimpeln geschmückten Tubas der Pagen des Palastes. Sie verlängerte gerade den Winkel der Augenlider mit einem unendlichen Bleistiftstrich, als König Sebastião von einer Schar Edelleute und Geschäftsleute im Cut umringt auf der Caçilhas-Fähre mit dem Namen O Palmelense Platz nahm, um dessen Rumpf herum Holzrettungsreifen angebracht waren. Die Frau stieg mit leichtem Mädchenschritt die Treppen des Katasteramtes hinunter, das von einem schwulen Neapolitaner in ein Nuttenhotel umgewandelt worden war, der immer ein aufziehbares Grammophon, die Schellackplatten des verstorbenen Enrico Caruso und das Bild seiner Mutter in einem Rahmen aus Porzellanblumen mit sich führte. Sie drängelte sich mit den Ellenbogen durch die Menge aus Arbeitslosen, die Luftschlangen entrollend dem
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