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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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an den Manschetten des Mantels befestigten Insignien eines Kapitäns der Ozeane bequem und versuchte vergeblich, die Geometrie der Konstellationen am Dreiuhrnachmittagshimmel zu erkennen. Sein Körper eines an Land gegangenen Neptuns war in diesen auf seine Rückkehr aus Angola folgenden Monaten der Verwahrlosung verkommen: Er hatte Furunkel und große kahle Stellen auf dem Kopf, hatte neun Kilo und sechshundert Gramm abgenommen, war unfähig, auf hundert Meter das Ladegewicht eines Schiffes auszumachen, hatte nur noch zwei Zähne im Unterkiefer und atmete kükenleicht mit einem schmerzlichen schnellen Hauchen. Die Frau schwoll vor Rührung im Dekolleté an, als ihr bewußt wurde, daß der Seefahrer, für den sie in Liebe entbrannt war, ganz allmählich immer mehr zu einem ausgestopften Museumssaurier geworden war. Einstweilen zahlte sie seine Gläser, ohne daß er es sah, bat den Kellner leise, ab dem siebzehnten den Alkohol gegen Leitungswasser auszutauschen, ertrug seine Betrunkenenstarrköpfigkeit,
ordnete an, man möge ihm ein Sandwich mit einer Scheibe Braten vorlegen, die er voll angewidertem Stolz mit der Hand wegschob, und ging diskret hinter ihm hinaus, als die Zeitungsjungen auf der Straße die letzte Ausgabe ausriefen und die maurischen Sklaven in die Unterstadt trotteten, wo sie sich, von den Peripetien indischer Dramen fasziniert, in den Kinos der ohne Unterbrechung aufeinanderfolgenden Vorstellungen am Restauradores-Platz drängelten. Indem sie ihre uralte Erfahrung in der Kunst der Manipulation von Einsamen nutzte, gelang es ihr, ihn in das Zimmerchen am Terreiro do Paço zu bugsieren und von den Tavernen, die sich auf dem Weg dorthin wie Pilze auf dem Käse vermehrten, und den Lebensmittelläden fernzuhalten, in denen wir bis elf Uhr nachts, auf Bohnensäcken gerekelt, aus Krügen gemeinsam Vinho Verde tranken.
    Sie hatte ihn, den eine unbekannte Trunkenheit von Gläschen mit Leitungswasser fast bewußtlos gemacht hatte, gerade ins Bett gelegt, da klopfte die Bande Agronomiestudenten, die sich von der Verblüffung über den Orgasmus noch nicht ganz erholt hatte, an ihre Tür. Es waren etwa ein Dutzend verschämter Schüler mit verschwiegenen Augenlidern und Gliedern, die die unentschlossenen Bögen ihrer Gesten niemals beendeten, und sie starrten sie von der Schwelle aus schweigend, voll entschiedener, lyrischer Bewunderung an. Die Abnutzung durch das Alter und ihr Wissen um die Schwäche der Männer hinderten sie daran, die Fassung zu verlieren: Gelassen deckte sie den Entdecker mit dem Bettuch zu, auf das sie an Nachmittagen ohne Freier kleine Blumen gestickt hatte, applizierte Schwefelpomade auf die grünen Furunkel und Gardenienlotion und
Phenylsäure auf die kahlen Stellen am Nacken, ging, eilig die Spangen aus dem ergrauten Haar ziehend und die Plastikschmuckstücke und drei Dutzend Korallenarmbänder abnehmend, zum Treppenabsatz, strich mit der mitfühlenden Hand, die uns naive Ex-voto-Träume bescherte und die Ränder des nackten Fleisches der Traurigkeit auseinanderzog, über die Wange des am nächsten stehenden Agronomen, eines Rotblonden, dessen Sommersprossen von der Glut der Begierde brannten, und erklärte uns mit einem freundschaftlichen Kinnwinken, wir sollten gehen:
    – Mein Mann schläft gerade da drinnen.
    Dann drehte sie, nachdem die Horde Heranwachsender enttäuscht im Treppenhaus auf der Suche nach einer ledigen Prostituierten verlosch, die sie nicht mit der unerwarteten Anwesenheit eines bärtigen Ehemannes erschreckte, den Schlüssel zweimal im Schloß, um sich von ungebetenen Besuchern zu befreien, legte die phantastischen Ringe, denen die Deckenlampe prächtiges Karnevalsgeglitzer entriß, einen nach dem anderen auf den Kommodendeckel aus Marmorimitat, zog das wundertuende Dekollete über den Kopf, hakte die Spitzenrüschen ihrer Lagen von Korsagen aus, verschwand in einem Männerbademantel aus Frottee, den ein Freier vor Jahrzeiten in ihrem Haus in Loanda vergessen hatte und den sie ihrerseits auch vergessen hatte, legte sich an den Rand der Matratze neben den Kapitän, wenn auch soweit wie möglich von ihm entfernt, um seinen kriegerischen Weintonnenschlaf nicht zu stören, drehte am Lichtschalter und lag still im Dunkeln, wagte nicht ihn zu berühren, spähte durch die Vorhänge auf den aschenfarbenen Fleck des Flusses, der die vor Anker liegenden Galeonen
und die Reiterstatue von König D. José I. verdoppelte, der mit ruhiger Erhabenheit über sein eigenes Spiegelbild

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