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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Pergamente entfaltete und auf Folianten wies, den Morsecode der Sterne des Himmels rezitierte, die Art, wie man bei Amputierten Gummiknebel anwendet, wie man mit Rhododenronpulver die Ratten in den Laderäumen vertilgt, welchen Einfluß die Tierkreiszeichen auf das Sexualverhalten der Nixen haben und wie wichtig es ist, in die finsteren Ozeane Inseln mit angemalten Indios zu säen, die, Bögen für Curarepfeile in der Faust, hinter den Affenbrotbäumen lauern. Und so kundschaftete Diogo Cão bereits nach einem Jahr die Strände Marokkos aus, mied die Oktopusschwärme und silbrigen Schatten der Sardinen und segelte an Afrika entlang, wobei ihm bei seinen Berechnungen ein verrückter Mathematiker half, der ihm den Weg mit einer Logarithmentafel in der Hand wies.
    Ganz allmählich näherten sich so die wenig fest umrissenen Personen, die der Lehrer der Schule der Stadtverwaltung, den Ärmel in die Rinne für den Schwamm gestützt,
unter dem atemlosen Fischmund eines Messingkreuzes beschrieben hatte, quicklebendig, genauso aussehend wie die tragischen Bildnisse ihrer Grabstätten, und redeten mit der den Cantigas de Escárnio eigenen Ironie in der Offiziersmesse in Lagos mit mir, wo sie nach ihrer Rückkehr von vielen Skorbuterkrankungen und zahllosen Kümmernissen vor einem Whiskyglas Würfelpoker spielten, oder bei den Abenden zu Hofe, an denen sie sich freundlich im Licht von harzigen Fackeln langweilten, während große Jagdhunde auf die Arraiolosteppiche urinierten und sie den faden Scherzen des Monarchen und den nimmer endenden Fados der Gaukler lauschten. Er lernte in diesen düsteren, von effeminierten Pagen bevölkerten Nächten den Kammerherrn Egas Moniz und dessen Söhne mit dem Strick um den Hals kennen, den heiligen Antonius, der Thunfischen predigte, den Chronisten Fernão Lopes, der Notizen in kleine Ringhefte schrieb, die unwiderstehlichen Wimpern des Polygraphen und Politikers João Baptista da Silva Leitão de Almeida Garrett und Fuas Roupinho, der ihn gleich nach fünf Minuten Unterhaltung bat, ihm zweihundert Escudos zu leihen und sich von einem syrischen Leibwächter mit Maschinenpistole unterm Arm begleiten ließ, der seinerseits auf dem rechten Schulterblatt von der Tätowiernadel in Kreuzstichen den Namen Arminda eingestickt trug. Bei der zweiten Reise, bei der ihn die willkürlichen Multiplikationen des Verrückten führten, gelang es ihm, seine Karavelle bis zu einem Fluß Guineas zu segeln, in der Kaimanrachen und Kothäufchen von Pygmäen schwammen; seine erste Nixe sah er, wie sie sich unter der Elfuhrsonne am Strand mit Creme einschmierte, und er legte, von der Hitze geschwärzt
wie eine verbrannte Olive in Dafundo, an, um an die festliche Brust des Infanten zu sinken, dessen Schnurrbart süßer Aramisduft entströmte.
    Er segelte jahrzehntelang, mit einem Stapel Romane von Agatha Christie auf dem Nachttisch in die Kajüte eingeschlossen, bis hinauf zum Posten eines Admirals, während nebenan an einem Tischchen der Mathematiker auf dem Bleistift kauend mit seinen dunklen, unerschrockenen Berechnungen fortfuhr. Er fand und verlor menschenleere, knöcherne, nur vom flachen Schrei eines Vogels bedeckte Archipele, entkam Schwärmen ununterbrochen wie traurige Kälber muhender Wale und phosphoreszierender Rochen, die das Wasser elektrisch aufluden und die Haare veranlaßten, sich den Bürsten zu widersetzen, er sah ganze Besatzungen namenlosen Fiebern, die die Haut blau färbten und die Hoden in Eitersäckchen verwandelten, zum Opfer fallen, er litt an Cholera, Dysentrie, Beriberi, den widerlichen Wanzenbissen, an Sumpffieber und Heimweh und Krampfadern im Aesophagus, er wurde in der Absicht, mit vollkommener Genauigkeit die Kardinalpunkte zu bestimmen, beim Studieren unbekannter Planeten alt, und daher sah er, als ich ihn zum ersten Mal in der billigsten Bar der Unterstadt von Loanda traf, dreimal so alt aus, wie er wirklich war, er hatte keinen einzigen Zahn mehr, vielmehr war sein Zahnfleisch mit Plastikzähnen gespickt, die, wenn er sprach, mit dem Geräusch ferner Hufe knarrten, und sein immer im selben Mantel steckender spindeldürrer Körper sonderte den Ertrunkenen und Witwern eigenen Duft der Verlassenheit ab. Als er das Haus auf der Insel auf der Suche nach den Tejonymphen verließ, knospten winzige Meeresblumen
in den Rissen der Wände, und es kam durchaus vor, daß eine ganze Familie Langusten die sonnige, reglose Helligkeit des Morgens durchmaß und mit den Nußknackern ihrer Scheren

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