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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Jahren die durchscheinende Unschuld der Vergangenheit schenkte, von der er angenommen hatte, sie sei in der Spitzenleichtigkeit einbalsamiert, in der die Begeisterungen fürs Kreiselspiel und die schüchternen, vom Tintenfischschweiß feuchten Finger der ersten Freundinnen welkten, und stand nun vor einer unförmigen, von der Unbarmherzigkeit der Jahre erodierten
Kreatur, die in einem Eisenbett unter einem Durcheinander von Wäsche lag und die Stirn voll Mutterzorn zu ihm gerunzelt hatte, bereit, wie auch sie bereit, in einem Schiffsbruch aus Tränen der Zärtlichkeit unterzugehen.
    Ohne recht zu wissen, was er machen sollte, aber im Wissen, daß er tat, was er tun mußte, ließ er den Schuh los, der mit dem hohlen Klang leerer Keksdosen auf den Boden fiel, zog eine rot-blau gestreifte Socke aus, zeigte seinen harten Admiralsgänsefuß in tänzelndem Marschschritt eines Flußschwimmvogels und näherte sich mir in Erwartung der bereits bereuten und wirkungslosen gewohnten Ermahnungen, versuchte die Weinflasche in der Tasche aus Furcht vor einem tödlichen Anschnauzer zu verbergen. Er roch nach dem Kaugummi und nach dem Margarinebrot aller Jungen seines Alters, denen die Weisheitszähne noch nicht die monströsen Kongobüffelkinnladen der Erwachsenen verleihen, und seine unfertigen Handgelenke eines hundertjährigen Jünglings, der undeutliche, von Pickeln übersäte Flaum zwischen Nase und Mund und das in einem Weinen angespannte Knäuel seiner Kehle flößten mir Mitleid ein. Er wußte nicht einmal, daß er Karavellen durch Afrikas Felsen kommandieren würde, und hatte insgeheim vor, so schnell wie möglich zu wachsen, um am Empfang eines Hotels zu arbeiten, Telegrammbote oder Astronaut zu werden, einer von denen, die kopfüber durch den Speisekammerstaub des Mondes schwimmen. Der Heinrich der Seefahrer war für ihn nur eine tugendsame, heroische Legende aus dem Geschichtsbuch, die einen Prinzen mit dem Schnurrbart eines romantischen Sängers und einem breitkrempigen Hut zeigten, und der am Rand einer Felsenlandzunge
saß und aus Langeweile Papierschiffchen in die Wellen warf, und er ließ sich nicht träumen, daß er König D. João II. persönlich kennenlernen sollte, von dem der Lehrer in der Schule der Gemeindeverwaltung, während er sich von der Schiefertafel unter einem Messingkreuz abhob, behauptete, er sei ein perverser Kerl, der mit der hassenswerten Brutalität von Schulpedellen Messer in seine Vettern stach. Als Gil Eanes das Kap Bojador erreichte, wandte er sich verächtlich von seiner Berufung zum Telegrammboten ab und wollte dafür Billardprofi werden, sich, eine Zigarre zwischen den Lippen, der Kreide bedienen, zur Verblüffung der Unteroffiziere der benachbarten Artilleriekaserne, die die Bälle mit unglücklichen Queuestößen gegen die Schienenbeine der Damen von den Kamillentees schossen.
    Im letzten Schuljahr, als er sich auf die Immatrikulation für das Studium der Veterinärmedizin vorbereitete, weil ihn die Migränen der Bandwürmer in Begeisterung versetzten, erhielt er zu Hause eine portofreie Postkarte aus dem Palast, die ihn zur ärztlichen Untersuchung für den Militärdienst vorlud, und nachdem er den ganzen Vormittag vor Kälte zitternd nackt mit weiteren achthundert Plebejern in einer eisigen Turnhalle verbracht und zugesehen hatte, wie der Regen auf die Zinkdächer der Kasernen fiel, maß eine Versammlung von Barbieren mit Stethoskopen, mittelalterlichen Helmen und Hauptmannsepauletten seinen Brustumfang, Einatmen, horchte ihn ab, Die Lunge mit Luft füllen und jetzt nicht bewegen, Mist, überprüft seine Rachenmandeln, tastete die Blinddarmnarbe und nicht vorhandene Hernien ab, und übergab ihm einen Marschbefehl nach Sagres, damit er unter der Oberaufsicht eines galligen,
nach dem Schimmel von Schiffbrüchen und Brotbrei mit Korianderblättern riechenden Untergefreiten in die Meereskunde eingeführt würde.
    Im Laufe der Monate der Ausbildung, in denen er lernte, Knoten zu lösen und über Luken zu stolpern, besuchte der Infant der Geschichtsbücher sie hin und wieder mit seinem Gefolge aus Admirälen, Mönchen, Astronomen und Geographen, um sich über die Fortschritte der Rekruten in der schwierigen Kunst zu informieren, rauchschnaubenden Ungeheuern zu entkommen und das Pfeifen der Hurrikane zu überlisten. Die Burschen des Kommandanten stellten eilig einen mit Seidenfransen bedeckten Thron mitten auf den Kasernenhof, der für seine Hoheit vorgesehen war, die uns, indem sie

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